Mit der am 1.4.2024 erfolgten Cannabis-Legalisierung hat sich auch in der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) etwas nicht Unwesentliches verändert. Cannabis und der neue § 13a weiterlesen
Schlagwort: Drogen-MPU
Drogen-MPU ohne Abstinenz-Nachweise?
Fast überall ist zu lesen, dass man ein positives Gutachten bei Drogen-MPU nur bekommen kann, wenn man mindestens 6 Monate, eventuell sogar 12 Monate Abstinenz nachweisen kann durch Urin-Screenings oder Haaranalysen. Ab und zu stößt man aber auch auf Beiträge oder Webseiten, wo behauptet wird, dass das gar nicht nötig sei.
Was ist da dran? Ist das nur heiße Luft und es wird versucht den Leuten einfach das Geld aus der Tasche zu ziehen, oder gibt es wirklich eine reelle Möglichkeit?
Drogen-MPU und Abstinenz: Was sagen die Beurteilungskriterien?
Tatsächlich sieht es beim schnellen Drüberlesen so aus, dass Abstinenznachweise bei Drogen-MPU zwingend nötig sind. Wer genauer hinschaut, wird aber bei der Hypothese D4 hängen bleiben. Ich zitiere den Text wörtlich:
Es liegt ausschließlich ein gelegentlicher Cannabiskonsum vor. Eine Verkehrsteilnahme unter Drogeneinfluss kann auch bei ggf. fortbestehendem Konsum zuverlässig vermieden werden.
Was genau sagt D4?
Anders als bei den anderen MPU-Fragestellungen gibt es bei der Drogen-MPU nicht nur drei, sondern vier „Schubladen“ (= Hypothesen genannt). Die Schublade D4 wurde bisher von den meisten Verkehrspsychologen und den MPU-Gutachtern kaum beachtet. Meistens wurde abgeraten: „Lass das bloß bleiben, da hast du fast keine Chance auf eine positive MPU.“
Ich selbst hatte in den letzten Jahren gerade mal eine knappe Handvoll Klienten, die sich für D4 entschieden haben – mit unterschiedlichem Erfolg. Es war nicht einfach, aber absolut nicht aussichtslos.
Zeiten ändern sich nun mal…
Auch wenn die Beurteilungskriterien der MPU der Realität in mancher Hinsicht oft hinterher hinken, sind sie nicht völlig starr. Die aktuelle Überarbeitung (4. Auflage seit Bestehen der MPU) hat gerade eben erst stattgefunden und gerade im Bereich Drogen einige sinnvolle Änderungen gebracht. D4 war nicht darunter, das gab es schon davor.
Vergleich mit Alkohol-MPU
Bei der Alkohol-MPU gibt es ja drei Schubladen:
- A1 bedeutet Sucht, also abhängiger Alkoholiker.
- A2 bedeutet, dass dauerhafter Alkoholverzicht nötig ist, d.h. meistens 12 Monate Albstinenznachweise.
- A3 bedeutet, dass kontrolliertes Trinken grundsätzlich noch möglich ist beim Klient.
Interessant jetzt der Vergleich mit der Drogen-MPU:
- D1 bedeutet Sucht, also abhängiger Junkee.
- D2 bedeutet fortgeschrittene Drogenproblematik. In dieser Schublade landet man entweder wegen Konsum so genannter „harter“ Drogen (laut MPU-Verständnis ist das alles außer Cannabis) oder durch Einstufung als THC-Dauerkonsument. Dauerhafte Abstinenz nachgewiesen durch 12 Monate wird verlangt.
- D3 bezieht sich (mit wenigen Ausnahmen) ausschließlich auf THC. Wer als Gelegenheitskonsument eingestuft wird, muss nur 6 Monate nachweisen, aber der Verzicht muss auch hier lebenslang sein.
- D4 ist so etwas wie „kontrolliertes Kiffen“ (bezogen auf A3). Auch wenn es bei D4 nicht so genannt wird.
Die bisherige Sichtweise der Drogen-MPU
Bisher galt schon immer: Alkohol ist eine legale Droge und es gibt klare Regeln für die Teilnahme am Straßenverkehr (0,5-Promille-Grenze usw.). Cannabis ist eine illegale Droge, die man nicht mal besitzen darf. Die 1,0-Grenze für THC aktiv geht zurück auf eine Zeit, als das die Nachweisgrenze der meisten Labors war. Verboten war der Konsum ja aber so wie so.
Ich meine, hier wurde und wird ein seltsamer Unterschied gemacht: Dem Alkohol-Trinker traut man zu bis zu einer bestimmten Menge (0,5 Promille beim KFZ und sogar 1,6 Promille beim Fahrrad) verantwortlich damit umzugehen, deshalb darf er fahren. Der Kiffer tut aber von vorn herein etwas Illegales. Er hat damit schon einen guten Teil Vertrauensvorschuss verspielt!
Der verantwortungsbewusste Kiffer – gibt es den überhaupt?
Mir scheint, hier wird oft eine eigenartige Argumentationskette angestoßen (auch wenn meistens nicht ausdrücklich ausgesprochen). Wer Cannabis besitzt und möglicherweise sogar raucht, der riskiert (je nach Bundesland verschieden) eine evtl. gar nicht unwesentliche Strafe. Er setzt sich ganz bewusst über Gesetze hinweg. Und so jemandem soll man glauben, dass er sich korrekt und verantwortungsbewusst im Straßenverkehr verhält? Da gibt es doch sogar höchstinstanzliche Urteile, die bestätigt haben, dass es ganz richtig ist, wenn man einem notorischen Falschparker (= er ignoriert die Regeln!) die Fahrerlaubnis entzieht…
Nun bezieht sich die Schublade D4 aber genau auf die Gelegenheitskiffer! D4 kommt erstaunlicherweise zu dem Schluss, dass es vor allem darum geht, ob der Kandidat zuverlässig genug zwischen Konsum und Teilnahme am Straßenverkehr trennen wird. Die Illegalität des Kiffens wird dabei gar nicht thematisiert.
Die bevor stehende Legalisierung von Cannabis
Auch wenn noch nicht absehbar ist welche Einschränkungen es im einzelnen geben und wie lange es sich noch hinziehen wird, ist inzwischen doch ziemlich sicher, dass eine Gesetzesänderung in Richtung Legalisierung kommen wird. Ich finde, es wäre doch völlig weltfremd, wenn man in dieser Situation von jedem Autofahrer, der mit etwas über 1,0 THC aktiv aufgefallen ist, heute noch lebenslange Abstinenz zu fordern, damit er den Führerschein behalten darf.
D4 existiert schon längst und bietet (unter bestimmten Voraussetzungen) schon heute den Weg um ein positives MPU-Gutachten ohne Abstinenz zu erhalten – gute Vorbereitung natürlich vorausgesetzt.
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