Alkohol: gefährliche Fehler vermeiden

Alkohol-Delikte sind die häufigsten Ursachen, warum eine MPU verlangt wird. Tatsächlich kommt es aber gar nicht so selten vor, dass die MPU hätte vermieden werden können wenn der Kandidat nicht selber einen entscheidenden Fehler begangen hätte.

Wann darf eine MPU verlangt werden?

Bei Alkohol-Delikten sind es vor allem folgende drei Anlässe:

  1. Eine Trunkenheitsfahrt mit 1,6‰ oder mehr bei der Blutprobe
  2. Wiederholte Trunkenheitsfahrt innerhalb von 10 Jahren. Hier reichen bereits 0,50‰.
  3. Eine Trunkenheitsfahrt mit einem Blutalkoholwert zwischen 1,10‰ und 1,59‰

Punkt 1. und Punkt 3. scheinen sich ja irgendwie zu widersprechen. Ich will das deshalb näher erklären.

Die 1,6‰ Grenze

Wer mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6‰ oder mehr fährt muss zwingend eine MPU verordnet bekommen. Dabei ist es gleichgültig ob die Verkehrsteilnahme mit einem Kraftfahrzeug oder mit einem fahrerlaubnisfreien Fahrzeug (meistens ist das ein Fahrrad) erfolgt ist.

Die 1,1‰ Grenze

Bis 1,09‰ Blutalkoholkonzentration wird die Trunkenheitsfahrt als Ordnungswidrigkeit gewertet. Ab 1,1‰ ist absolute Fahruntüchtigkeit erreicht und die Trunkenheitsfahrt wird als Straftat gewertet. Worin liegt der wesentlich Unterschied?

  • Bei einer Trunkenheitsfahrt bis maximal 0,79‰ als Ersttat bekommen Sie ein einmonatiges Fahrverbot und eine Geldstrafe von 500€ plus Verwaltungsgebühr verpasst.
  • Bei 0,80‰ bis 1,09‰ beträgt das Fahrverbot 3 Monate und die Geldstrafe 1000€.
  • Bei einer Trunkenheitsfahrt im Straftat-Bereich gibt es immer einen Strafbefehl mit indidvduell bemessener Geldstrafe (je nach Einkommen) und Sperrfrist (d.h. nach wie langer Wartezeit sie frühestens die Fahr-Erlaubnis wieder beantragen dürfen).

Entscheidender als die Unterschied Ordnungswidrigkeit oder Straftat ist für die MPU aber das Erreichen einer zwingend festgelegten absoluten Fahrunfähigkeit. Tatsächlich kann die Fahrunfähigkeit auch unter 1,1‰ schon gegeben sein (z.B. zu erkennen durch stark unsicheres Fahrverhalten), aber ab 1,1‰ wird immer absolute Fahrunfähigkeit angenommen (auch ohne irgendeine Auffälligkeit!). Dagegen können Sie auch nicht vorgehen.

Wo die Falle lauert

Es ist ziemlich naheliegend, dass man bei einer Kontrolle versucht möglichst „normal und nüchtern“ zu erscheinen (in der Hoffnung, dass man unbehelligkeit weiterfahren darf). Wenn Sie aber um eine Blutprobe nicht herum kommen, kann daraus ein ganz übler „Schuss ins eigene Knie“ werden. Das funktioniert folgendermaßen:

Wenn Ihre Blutalkoholkonzentration über 1,1‰ liegt, gelten Sie ja automatisch als absolut fahrunfähig. MPU folgt aber (bei Ersttätern) eigentlich erst ab 1,6‰ zwingend, und das war früher auch so festgelegt. In einem Urteil des Bundesverwatungsgerichts Leipzig vom 6.4.2017 wurde aber festgestellt: Wenn zusätzliche Tatsachen die Annahme von künftigem Alkoholmissbrauch begründen, dann darf auch unterhalb der 1,6-Grenze die MPU verlangt werden zur Wiedererteilung der Fahrerlaubnis.

Diese Annahme darf die Führerscheinstelle z.B. dann als gegeben ansehen, wenn Sie trotz einem Promillewert über 1,1 einen völlig nüchtern Eindruck machen, denn das deutet darauf hin, dass bei Ihnen eine hohe Alkoholgewöhnung vorliegt, und das wiederum legt es nahe, dass Sie Alkoholmissbrauch betreiben könnten. Um das zu überprüfen darf eine entsprechende MPU verlangt werden – und schon ist die Falle zugeschnappt!

Wie vermeidet man dieses Problem?

Eigentlich auf ziemlich einfache Weise: Verweigern Sie alles außer der reinen Blutprobe. Die zu verweigern macht keinen Sinn, weil sie notfalls auch mit Gewalt erzwungen werden darf. Alles Andere müssen Sie aber nicht tun.

  • Machen Sie keinerlei Angaben oder Aussagen. Sie müssen sich lediglich ausweisen, mehr nicht. Es ist fast immer nur zu Ihrem Nachteil, wenn Sie sich gesprächig und kooperativ verhalten.
  • Der Arzt, der Ihnen die Blutprobe abnimmt, will noch allerlei Tests mit Ihnen machen (auf einem Bein stehen, mit dem Finger an die Nase fassen usw.). Sagen Sie klipp und klar, dass Sie alle Tests verweigern werden. Das ist der sicherste Weg um Angaben über Alkoholgewöhnung u.ä. zu blockieren.
  • Reagieren Sie auf jegliche Fragen am besten gar nicht.
  • Unterschreiben Sie nichts.

Mir ist bewusst, dass viele, die das hier jetzt lesen, natürlich genau diese Fehler leider schon gemacht haben werden und das nicht mehr rückgängig zu machen ist. Ich möchte auch gewiss nicht dazu ermutigen ruhig öfters mal betrunken zu fahren. Ich meine aber, dass es nicht schaden kann, sich insgesamt sorgfältiger zu informieren um nicht unnötig ahnungslos in jede noch so plump aufgestellte Falle zu tappen!

Drogen-MPU ohne Abstinenz-Nachweise?

Fast überall ist zu lesen, dass man ein positives Gutachten bei Drogen-MPU nur bekommen kann, wenn man mindestens 6 Monate, eventuell sogar 12 Monate Abstinenz nachweisen kann durch Urin-Screenings oder Haaranalysen. Ab und zu stößt man aber auch auf Beiträge oder Webseiten, wo behauptet wird, dass das gar nicht nötig sei.

Was ist da dran? Ist das nur heiße Luft und es wird versucht den Leuten einfach das Geld aus der Tasche zu ziehen, oder gibt es wirklich eine reelle Möglichkeit?

Drogen-MPU und Abstinenz: Was sagen die Beurteilungskriterien?

Tatsächlich sieht es beim schnellen Drüberlesen so aus, dass Abstinenznachweise bei Drogen-MPU zwingend nötig sind. Wer genauer hinschaut, wird aber bei der Hypothese D4 hängen bleiben. Ich zitiere den Text wörtlich:

Es liegt ausschließlich ein gelegentlicher Cannabiskonsum vor. Eine Verkehrsteilnahme unter Drogeneinfluss kann auch bei ggf. fortbestehendem Konsum zuverlässig vermieden werden.

Was genau sagt D4?

Anders als bei den anderen MPU-Fragestellungen gibt es bei der Drogen-MPU nicht nur drei, sondern vier „Schubladen“ (= Hypothesen genannt). Die Schublade D4 wurde bisher von den meisten Verkehrspsychologen und den MPU-Gutachtern kaum beachtet. Meistens wurde abgeraten: „Lass das bloß bleiben, da hast du fast keine Chance auf eine positive MPU.“

Ich selbst hatte in den letzten Jahren gerade mal eine knappe Handvoll Klienten, die sich für D4 entschieden haben – mit unterschiedlichem Erfolg. Es war nicht einfach, aber absolut nicht aussichtslos.

Zeiten ändern sich nun mal…

Auch wenn die Beurteilungskriterien der MPU der Realität in mancher Hinsicht oft hinterher hinken, sind sie nicht völlig starr. Die aktuelle Überarbeitung (4. Auflage seit Bestehen der MPU) hat gerade eben erst stattgefunden und gerade im Bereich Drogen einige sinnvolle Änderungen gebracht. D4 war nicht darunter, das gab es schon davor.

Vergleich mit Alkohol-MPU

Bei der Alkohol-MPU gibt es ja drei Schubladen:

  1. A1 bedeutet Sucht, also abhängiger Alkoholiker.
  2. A2 bedeutet, dass dauerhafter Alkoholverzicht nötig ist, d.h. meistens 12 Monate Albstinenznachweise.
  3. A3 bedeutet, dass kontrolliertes Trinken grundsätzlich noch möglich ist beim Klient.

Interessant jetzt der Vergleich mit der Drogen-MPU:

  1. D1 bedeutet Sucht, also abhängiger Junkee.
  2. D2 bedeutet fortgeschrittene Drogenproblematik. In dieser Schublade landet man entweder wegen Konsum so genannter „harter“ Drogen (laut MPU-Verständnis ist das alles außer Cannabis) oder durch Einstufung als THC-Dauerkonsument. Dauerhafte Abstinenz nachgewiesen durch 12 Monate wird verlangt.
  3. D3 bezieht sich (mit wenigen Ausnahmen) ausschließlich auf THC. Wer als Gelegenheitskonsument eingestuft wird, muss nur 6 Monate nachweisen, aber der Verzicht muss auch hier lebenslang sein.
  4. D4 ist so etwas wie „kontrolliertes Kiffen“ (bezogen auf A3). Auch wenn es bei D4 nicht so genannt wird.

Die bisherige Sichtweise der Drogen-MPU

Bisher galt schon immer: Alkohol ist eine legale Droge und es gibt klare Regeln für die Teilnahme am Straßenverkehr (0,5-Promille-Grenze usw.). Cannabis ist eine illegale Droge, die man nicht mal besitzen darf. Die 1,0-Grenze für THC aktiv geht zurück auf eine Zeit, als das die Nachweisgrenze der meisten Labors war. Verboten war der Konsum ja aber so wie so.

Ich meine, hier wurde und wird ein seltsamer Unterschied gemacht: Dem Alkohol-Trinker traut man zu bis zu einer bestimmten Menge (0,5 Promille beim KFZ und sogar 1,6 Promille beim Fahrrad) verantwortlich damit umzugehen, deshalb darf er fahren. Der Kiffer tut aber von vorn herein etwas Illegales. Er hat damit schon einen guten Teil Vertrauensvorschuss verspielt!

Der verantwortungsbewusste Kiffer – gibt es den überhaupt?

Mir scheint, hier wird oft eine eigenartige Argumentationskette angestoßen (auch wenn meistens nicht ausdrücklich ausgesprochen). Wer Cannabis besitzt und möglicherweise sogar raucht, der riskiert (je nach Bundesland verschieden) eine evtl. gar nicht unwesentliche Strafe. Er setzt sich ganz bewusst über Gesetze hinweg. Und so jemandem soll man glauben, dass er sich korrekt und verantwortungsbewusst im Straßenverkehr verhält? Da gibt es doch sogar höchstinstanzliche Urteile, die bestätigt haben, dass es ganz richtig ist, wenn man einem notorischen Falschparker (= er ignoriert die Regeln!) die Fahrerlaubnis entzieht…

Nun bezieht sich die Schublade D4 aber genau auf die Gelegenheitskiffer! D4 kommt erstaunlicherweise zu dem Schluss, dass es vor allem darum geht, ob der Kandidat zuverlässig genug zwischen Konsum und Teilnahme am Straßenverkehr trennen wird. Die Illegalität des Kiffens wird dabei gar nicht thematisiert.

Die bevor stehende Legalisierung von Cannabis

Auch wenn noch nicht absehbar ist welche Einschränkungen es im einzelnen geben und wie lange es sich noch hinziehen wird, ist inzwischen doch ziemlich sicher, dass eine Gesetzesänderung in Richtung Legalisierung kommen wird. Ich finde, es wäre doch völlig weltfremd, wenn man in dieser Situation von jedem Autofahrer, der mit etwas über 1,0 THC aktiv aufgefallen ist, heute noch lebenslange Abstinenz zu fordern, damit er den Führerschein behalten darf.

D4 existiert schon längst und bietet (unter bestimmten Voraussetzungen) schon heute den Weg um ein positives MPU-Gutachten ohne Abstinenz zu erhalten – gute Vorbereitung natürlich vorausgesetzt.

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