Ärztliches Gutachten:
Wann wird es verlangt?
Was dieser Beitrag behandelt:
Manchmal kommt es vor, dass ein (fach)ärztliches Gutachten verlangt wird. Es soll meist dazu dienen zu klären, wie schwerwiegend eine Problematik ist. Es muss immer dann angeordnet werden, wenn die Faktenlage allein nicht ausreicht, um eine MPU zu verlangen. Das ist im Zusammenhang mit Drogen-Auffälligkeit besonders oft der Fall. Dazu komme ich weiter unten.
Das ärztliche Gutachten nehmen viele nicht ernst: "Zur MPU muss ich dann ja doch noch!" Das ist aber eine sehr gefährliche Sichtweise und zeigt, dass der Betreffende eine völlig falsche Vorstellung davon hat, welchen Zweck das ärztliche Gutachten verfolgt.
VORSICHT: Man kann sich viel kaputt machen und schwere Knüppel in den Weg werfen für die MPU.
Vorbemerkung zum ärztlichen Gutachten
Ein ärtzliches Gutachten kann dazu führen, dass im nächsten Schritt eine MPU folgt. Das ist aber kein Automatismus. Mit etwas Glück und entsprechend guter angemessener Vorbereitung kann es so ausgehen, dass allein die Einschätzung des ärztlichen Gutachtens bereits so weit alle Bedenken ausräumt, dass im Anschluss keine MPU mehr nötig ist. Nehmen Sie diese Stufe also sehr ernst und marschieren Sie nicht ahnungslos ins offene Messer! Eine schlechte Beurteilung liegt nämlich dann wie festgemauert in der Führerscheinakte und kann erstaunlich lange jede erneute Begutachtung (egal ob MPU oder "nur" ein weiteres ä.G.) ganz erheblich erschweren und zu sehr lästigen Auflagen führen, die sonst gar kein Thema gewesen wären.
Ärztliches Gutachten:
Die medizinische Seite der Fahrtauglichkeit
Wie der Name schon vermuten lässt, steht hier die medizinische Seite der Fahrtauglichkeit im Vordergrund. Entweder ist etwas vorgefallen, wodurch Zweifel begründet erscheinen, oder es ist einfach eine entsprechende Information von außen an die Führerscheinstelle gelangt. Egal worum genau es im Einzelfall geht, sollte man aber auf keinen Fall auf den Gedanken verfallen, dass es sich halt um eine ganz normale medizinische Untersuchung handeln wird, und darauf braucht und kann man sich ja eh nicht vorbereiten.
Der ärztliche Gutachter ist aber kein gewöhnlicher Hausarzt, der einem in den Hals schaut, ein bisschen mit dem Hämmerchen aufs Knie haut und am Ende ein Rezept rausschreibt, sondern er steht dem Klient in der Rolle eines Gutachters gegenüber.
Er ist Verkehrsmediziner wie der Arzt bei der MPU auch. Dort fällt der aber meistens kaum auf, weil er in 95% der Fälle nur farbloses Beiwerk des psychologischen MPU-Gutachters ist. Beim ärztlichen Gutachten ist es aber deutlich anders. Er wird sein Augenmerk darauf richten, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen sein Klient hat, ob die die Fahrtauglichkeit einschränken können und wie das ggf. kompensiert werden kann.
Kompensation von Defiziten ist in vielen Fällen der Dreh- und Angelpunkt der ärztlichen Begutachtung. Speziell körperliche Behinderungen müssen kein Ausschlusskriterium für die Fahrtauglichkeit sein. In speziell modifizierten Fahrzeugen können auch Querschnittsgelähmte selbständig und sicher fahren.
Ich habe in den über 10 Jahren meiner MPU-Vorbereitung auch schon oft auf spezielle ärztlichen Gutachten vorbereitet, darunter auch schwerwiegende psychische Störungen wie Psychosen und Schizophrenie. Wenn gewährleistet ist, dass der Betreffende medikamentös stabil eingestellt ist und unter ärztlicher Kontrolle steht, ist Fahrtauglichkeit in vielen Fällen ohne weiteres gegeben. Mit einer passgenauen Vorbereitung brauchen auch solche Klienten das ärztliche Gutachten nicht zu fürchten.
Ärztliches Gutachten und Drogenkonsum
Die meisten, die zu einem ärztlichen Gutachten antreten müssen, haben aber gar keine körperlichen Gebrechen. Sie sind im Zusammenhang mit Drogen auffällig geworden, und zwar oft sogar ganz ohne Teilnahme am Straßenverkehr - ein echtes Kuriosum, finde ich.
Besonderheit Drogen und MPU
Anders als bei Alkohol gibt es bei Drogenkonsum erhebliche Unterschiede:
- Alkohol ist in unserer Gesellschaft trotz unbestrittener schwerer Folgen erstaunlich weit ganz offiziell akzeptiert. Das zeigen schon die detaillierten und fein abgestuften Grenzwerte ab 0,5‰. Bei Drogenkonsum - ganz besonders bei der "weichen" Droge Cannabis - gibt es diese Abstufung aber nicht.
- THC-Besitz ist immer noch verboten, wird aber in kleinen, zum Eigenbedarf geeigneten Mengen je nach Bundesland unterschiedlich geahndet. Das geht von der besonders harten Linie Bayerns bis hin zur weitgehenden Straffreiheit anderer Bundesländer. Aber auch dann, wenn ein Gerichtsverfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt wird, zieht es sehr oft Konsequenzen nach sich, wenn diese Information zur Führerscheinstelle gelangt (heißt faktisch: sehr oft!).
- Für die Führerscheinstelle reicht es meistens bereits um tätig zu werden, wenn man mit 1,0 ng/kg oder mehr erwischt wurde, und zwar auch dann, wenn man gar nicht gefahren ist!
Probierkonsum - Gelegenheitskonsum - Gewohnheitskonsum
Das ärztliche Gutachten soll klären wie das Konsumverhalten beim Betroffenen aussieht. Je nachdem, zu welchem Ergebnis der medizinische Gutachter kommt, erfolgt Einordnung in eine der drei Schubladen:
- Probierkonsum
In der Realität wird das natürlich nur sehr selten vorkommen. Probieren darf man nämlich nur ein einziges Mal. Selbst derjenige, der wirklich zum ersten Mal in seinem Leben an einem Joint zieht und das am nächsten Tag noch mal macht, gilt nicht mehr als Probier-Konsument. - Gelegenheitskonsum
Gelegentlich heißt, dass das jemand öfter macht, aber eben nur "ab und zu" und nicht jeden Tag. Allerdings kann es schon heikel werden, wenn der Konsum eine deutliche Regelmäßigkeit zeigt (z.B. immer am Wochenende, und zwar jedes Wochenende - eine Art Ritual sozusagen). - Gewohnheitskonsum
Das meint einen wirklich sehr häufigen und schon seit geraumer Zeit bestehenden Konsum. Gewohnheitskonsumenten kiffen meist auch mehrmals täglich - wie rauchen, essen, trinken...
Ärztliches Gutachten: Wichtige Empfehlung
Ich kann gut nachvollziehen, dass viele, die plötzlich Post von der Führerscheinstelle bekommen und zum ärztlichen Gutachten aufgefordert werden, aus allen Wolken fallen ("Ich bin doch gar nicht gefahren!"). Wer bis zu diesem Zeitpunkt ahnungslos weiter gekifft hat, der hat jetzt wahrscheinlich ein echtes Problem.
"Behörden-Mühlen" arbeiten bekanntlich oft sehr langsam. Wenn jemand bei einer Kontrolle mit Cannabis erwischt wurde (auch ohne KFZ und mit nur geringer Menge), wird diese Information mit hoher Wahrscheinlichkeit routinemäßig an die Führerscheinstelle weitergegeben. Auch dann, wenn das Verfahren fallen gelassen wurde.
Es tickt eine Zeitbombe für Ihren Führerschein. Rechnen Sie ernsthaft damit, dass früher oder später von Ihnen ein ärztliches Gutachten verlangt werden kann, weil die Führerscheinstelle den Verdacht hat, dass bei Ihnen Drogen-Konsum und Teilnahme am Straßenverkehr zusammen vorkommen könnten. Der ärztliche Gutachter soll das genauer unter die Lupe nehmen.
Es ist deshalb dringend anzuraten, dass Sie jeglichen Konsum sofort einstellen. Die Aufforderung zum ärztlichen Gutachten lässt nur selten viel Zeit. Es ist deshalb wichtig, dass Sie "sauber" sind und bei Ihnen im Urin auch keine Langzeit-Abbaustoffe zu finden sind.
Unter den richtigen Voraussetzungen muss man vor einem ärztlichen Gutachten keine Angst haben. Auch eine MPU droht dann nicht. Oft steht es aber mit den Voraussetzungen leider niicht zum besten, und ausreichend Zeit, um das noch zu "reparieren", ist auch nicht mehr vorhanden. In einer solchen Konstellation lauern Gefahren, mit denen nicht zu spaßen ist. Ein gehörig verkorkstes ärztliches Gutachten kann ohne weiteres die MPU, die danach fällig wird, fast aussichtslos werden lassen, weil das ä.G. ja für die nächsten 10 Jahre in Ihrer Führerscheinakte liegen bleibt.
Zusammenfassung
Ein ärztliches Gutachten ist nicht einfach nur eine harmlose medizinische Untersuchung. Vor allem im Zusammenhang mit Führerschein-Angelegenheiten sollte man deshalb grundsätzlich niemals unvorbereitet antreten.
Nehmen Sie so frühzeitig wie möglich Kontakt mit mir auf, weil hier bereits wichtige Weichenstellungen für eine spätere MPU stattfinden! Gut angepackt kann das ärztliche Gutachten aber gar nicht so selten die MPU überflüssig machen oder zumindest die MPU-Fragestellung günstig eingrenzen.