Die MPU-Grundlagen verstehen

Was dieser Beitrag behandelt:

  • Die Rolle der Führerscheinstelle
  • Die Rolle der MPU-Stelle
  • Die Prognose
  • Die Führerscheinakte
  • Gründliche Aufarbeitung wird verlangt
  • Niemals verharmlosen oder beschönigen

Es ist wichtig, dass Sie die grundlegende Funktionsweise der MPU verstehen, damit Sie nicht in Panik geraten und vor allem die Vorbereitung auf die MPU sinnvoll gestalten können.

I. Die Rolle der Führerscheinstelle

Es herrschen viele Irrtümer über die Rolle und und Funktion der Führerscheinstelle. Deshalb will ich zuerst hier etwas mehr Klarheit schaffen:

Es ist diejenige Instanz die gewissermaßen Ihren Führerschein "verwaltet" und Maßnahmen durchführt wie Entzug der Fahrerlaubnis, Neuerteilung usw. Sie haben es dort mit einem Sachbearbeiter tun, der (hoffentlich…) die für seinen Job wichtigen Rechte und Pflichten kennt - mehr aber meistens nicht. Schon für Fragen wie z.B. nach Abstinenz ist er der falsche Adressat! Es ist wichtig das zu wissen, weil es ohne weiteres passieren kann, dass Sie eine völlig falsche Auskunft bekommen aus falscher Hilfsbereitschaft.

Eine wichtige Funktion der Führerscheinstelle ist Anordnung eines ärztlichen Gutachtens oder einer MPU mit dem Ziel fehlende Klarheit zu schaffen. Ausgangspunkt ist nämlich meistens ein Vorfall, der Grund zur Annahme gibt, dass der Kandidat zur Teilnahnme am Straßenverkehr ungeeignet sein könnte. Weil der Sachbearbeiter selber dazu nicht kompetent ist, wird ein Gutachter benötigt.

Was genau dieser Gutachter untersuchen soll, das legt Ihr Sachbearbeiter bei der Führerscheinstelle fest. Ihm steht daür ein ganzer Pool an Fragestellungen zur Verfügung.

Wo Sie sich begutachten lassen wollen, das dürfen Sie selbst entscheiden - aber nicht ganz beliebig: Die von Ihnen ausgesuchte Begutachtungsstelle muss zugelassen sein zur Durchführung von Fahreignungsüberprüfungen. Eine Liste aller MPU-Stellen finden Sie hier.

Dazu eine nicht unwesentliche Feinheit: Sie könen zwar die MPU-Stelle aussuchen, aber nicht den einzelnen Gutachter.

II. Die Rolle der MPU-Stelle

Die MPU-Stelle wird in Ihrem Auftrag tätig. Das merken Sie sehr schmerzlich daran, dass Sie die Begutachtung ja bezahlen müssen. Da Sie der zahlende Kunde sind, sollten Sie sich nicht als Bittsteller sehen. Es ist z.B. nicht notwendig, dass Sie drauf warten, dass Ihnen irgendwann irgendein Termin zugewiesen wird. Setzen Sie sich stattdessen mit der MPU-Stelle in Verbindung und besprechen Sie, welche Termine zur Verfügung stehen.

Früher existierte eine Preisbindung für MPUs. Das ist aber schon vor mehreren Jahren abgeschafft worden. Es gibt heute erhebliche Preisunterschiede und es lohnt sich die Preise zu vergleichen.

Dem MPU-Gutachter liegt Ihre Führerscheinakte vor (deshalb unbedingt vor Angabe der MPU-Stelle bei der Führerscheinstelle Akteneinsicht nehmen!). Alles was dort drin steht darf bei der Begutachtung verwendet werden.

Die Arbeitsweise des Gutachters

Der MPU-Gutachter muss eine Prognose erstellen: Ist zu erwarten, dass Sie Ihr problematisches Verhalten dauerhaft abgelegt haben oder nicht? Das Problem dabei ist:

Ich denke, es liegt auf der Hand, dass es unter diesen Voraussetzungen kaum zu schaffen ist eine seriöse Prognose abzugeben. Man hat deshalb mit den Beurteilungskriterien ein Regelwerk geschaffen, mit dem wenigstens die Zuordnung des Klienten in eine von drei oder vier "Schubladen" unterschiedlicher Schwere erfolgen kann. Je nach der Schublade, in der Sie landen, ergeben sich unterschiedliche Anforderungen, die Sie erfüllen müssen um eine positive Prognose erhalten zu können.

Ich finde das nicht wirklich befriedigend, aber es verhindert immerhin ganz willkürliches Arbeiten der Gutachters und schafft eine gute Grundlage für die Vorbereitung auf die MPU.

Was bedeutet das für Sie?

  1. Das Gespräch mit dem psychologischen Gutachter ist der Dreh- und Angelpunkt der MPU schlechthin.
  2. Durch die relativ engen Vorgaben, an die sich der Gutachter halten muss, wird das Gespräch in der Vorbereitung besser planbar. Bösen Überraschungen kann man mit guter Vorbereitung weitgehend aus dem Weg gehen.
  3. In meiner Vorbereitung orientiere ich mich so eng wie möglich an den verbindlichen Begutachtungs-Richtlinien.

Die Struktur des Gesprächs verstehen

Die Grundstruktur des Gesprächs mit dem psychologischen MPU-Gutachter besteht aus zwei Haupt-Komponenten, die sich harmlos lesen es aber in sich haben:

I. Was ist vorgefallen und wieso kam es dazu?

Der MPU-Gutachter ist Verkehrspsychologe und arbeitet auf der Basis der klassischen Lernpsychologie. Deren wichtigste Grundannahme ist folgende:

Menschen tun das immer öfter, was ihnen etwas Angenehmes bringt und vermeiden das, was ihnen etwas Unangenehmes bringt.

In dieser Form ausgedrückt ist das natürlich stark vereinfacht, aber ich denke, den Mechanismus, der dahinter steckt, kennt jeder aus eigener alltäglicher Erfahrung. Der psychologische Fachbegriff, der hier eine Rolle spielt, ist der Verstärker.

Spannend wird es, wenn konkurrierende Einflüsse gleichzeitig auftreten. Dazu ein Beispiel:

Jeder Raucher weiß, dass rauchen gesundheitsschädlich ist. Statistische Daten belegen das sehr eindrucksvoll. Jetzt sollte man eigentlich erwarten, dass niemand raucht (→ Unangenehmes vermeiden). Wieso rauchen aber doch so viele? Das liegt daran, dass rauchen eben auch eine angenehme Seite hat. Diese angenehme Seite kann sehr belohnend wirken (vor allem für jeden, der abhängig von Nikotin ist).

Noch eigenartiger wird das Verhalten aber, wenn man sich Belohnung und Gefahr nebeneinander anschaut: Die belohnende Wirkung dauert nur sehr kurz und ist wenig spektakulär während die gesundheitliche Gefahr absolut schwerwiegend ist. Hier spielt ein anderer Faktor die entscheidende Rolle: Die belohnende Wirkung ist nahezu sofort zu haben, während die drohende schwere Erkrankung als in weiter Ferne gelegen empfunden wird.

Sie sehen an diesem alltäglichen Beispiel, dass Zusammenhänge die Auswirkung überraschend komplex werden lassen können. Das ändert aber nichts daran, dass diese Denkweise das Werkzeug des Gutachters bei der MPU ist.

Kommen wir also zur Überschrift dieser Rubrik zurück: Was ist vorgefallen und wieso kam es dazu? - Das Unangenehme liegt bereits vor uns: Sie müssen jetzt zur MPU. Kaum einer wird das zum Spaß machen. Wie sieht aber Ihr Verstärker aus, der ja immerhin stark genug gewesen sein muss, um erklären zu können wieso Sie dafür die MPU plus allem Drumrum auf sich genommen haben.

Sie haben keine Antwort parat? Genau die will der Gutachter aber von Ihnen hören! Wenn Sie die Antwort schuldig bleiben müssen oder zu sehr an der Oberfläche bleiben, bedeutet das eine negative Prognose. Sie sind eben leider noch nicht reif für eine positive Prognose, denn wer nicht wirklich verstanden hat, warum er sich trotz starker Nachteile so benommen hat, wie soll bei dem sicher gestellt sein, dass er in Zukunft nicht wieder in die gleiche Falle tappen wird?

Mein Rat:

Nehmen Sie das nicht auf die leichte Schulter, denn der Erfolg bei der MPU steht oder fällt damit wie sorgfältig und lückenlos Ihre Aufarbeitung gelungen ist!

II. Was haben Sie geändert, dass es nicht wieder passiert?

Da Sie dann eine positive Prognose bekommen, wenn Sie auch ausreichende echte Veränderungen umgesetzt haben, ist dieser Teil mindestens gleich wichtig. Ich kann es aber hier etwas knapper fassen: Sie wissen ja bereits wie ein Lernpsychologe arbeitet und was es mit dem Verstärker auf sich hat. Neu ist aber folgendes:

Wenn Sie ein Problemverhalten abstellen, ist das oft damit verbunden, dass ein Verstärker - etwas als Angenehm Erlebtes - nicht mehr da ist. Oder anders ausgedrückt: Es entsteht ein Loch. Stabil ist das neue (= erwünschte) Verhalten nur dann, wenn das Loch auch geschlossen wurde und nicht das Gefühl eines Mangels zurück bleibt.

Das bedeutet, dass es nicht ausreicht, wenn Sie halt berichten, dass Sie jetzt viel weniger trinken / nicht mehr kiffen / nicht mehr rasen oder was sonst auch immer, sondern der Gutachter wird auch hier mit seinem auf Verstärker gerichteten Blick heran gehen. Er wird auch hier nach Zusammenhängen mit dem täglichen Leben suchen und damit abschätzen, wie stabil der jetzige Zustand einzuschätzen ist.

Motivation ist wichtig

Ebenfalls unter dem Aspekt der Stabilität der Veränderung interessiert den Gutachter die zugrunde liegende Motivation. Ganz klar, momentan ist der Führerschein eine sehr starke Motivation. Die verliert er aber ziemlich schnell, sobald Sie ihn wieder haben und er nicht mehr bedroht ist. Hier ist ein psychologischer Fachbegriff wichtig: Der Führerschein ist eine so genannte externale Motivation - und leider nicht viel Wert.

Trumpfen können Sie dagegen, wenn es Ihnen gelingt eine echte internale Motivation zu präsentieren, also eine "Motivation, die von innen kommt". In meiner MPU-Vorbereitung ist das deshalb immer auch ein Punkt, der Aufmerksamkeit verdient.

Wahrscheinlichkeiten spielen eine wichtige Rolle

Egal ob eine Trunkenheitsfahrt unter Alkohol, Verkehrsteilnahme unter Drogeneinfluss, besonders häufige Geschwindigkeitsüberschreitung oder sonst ein MPU-Anlass: Die Wahrscheinlichkeit erwischt zu werden ist verhältnismäßig gering. Oder anders ausgedrückt: Auf jeden Verstoß, der wirklich aktenkundig wird, kommen fast immer sehr, sehr viele, die unentdeckt geblieben sind. Das weiß jeder. Natürlich haben ein paar Wenige auch besonderes Pech und werden ungewöhnlich früh erwischt. Das ist aber die ganz normale statistische Schwankung und wird bei der Begutachtung nicht mildernd berücksichtigt.

Wie bereits oben geschrieben ist es Aufgabe des Gutachters, eine Prognose über Ihr künftiges Verhalten im Straßenverkehr zu stellen. Nun sind ja Prognosen oft mit erheblicher Unsicherheit behaftet (man denke bloß mal an den Ausgang von Wahlen!). Das ist für die MPU ein echtes Problem. Um das wenigstens etwas zu verkleinern, soll der Gutachter auch auf statistisch abgesicherte Daten zugreifen. Ich finde, bis hierher ist dagegen auch nichts einzuwenden. Es ist aber wichtig zu wissen wofür diese statistisch abgesicherten Daten eingesetzt werden: zur Einschätzung der Glaubwürdigkeit Ihrer Angaben nämlich. Und das geschieht folgendermaßen:

Nehmen wir das Beispiel Alkohol-MPU. Sie werden gefragt, wie oft Sie außer am Tag der Trunkenheitsfahrt vorher schon oberhalb der erlaubten Grenze alkoholisiert am Straßenverkehr teilgenommen haben. Nehmen wir an, es war wirklich Ihre einzige Trunkenheitsfahrt und Sie sagen das auch so. Dann steht dem laut Statistik gegenüber, dass nur jede 500. Trunkenheitsfahrt(!) oder noch weniger entdeckt wird. Sie behaupten also gewissermaßen, dass Sie der eine von 500 sind, der tatsächlich nur ein einziges Mal betrunken gefahren ist. Das ist sehr unwahrscheinlich und spricht eindeutig gegen Sie. Der Gutachter darf jetzt abwägen und stellt dabei fest: Statistisch gesehen ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie ihn anlügen, ungefähr 500:1 - also sehr hoch. Er wird daraus schließen, dass Ihre Glaubwürdigkeit angezweifelt werden muss und keine Prognose möglich ist! Und wenn er eben keine Prognose stellen kann, dann bedeutet das natürlich negatives Gutachten.

Kommen Sie also auf keinen Fall auf die Idee zu behaupten, dass das Vergehen, bei dem Sie erwischt worden sind, die riesengroße Ausnahme war! Niemand wird das glauben, und der MPU-Gutachter schon gar nicht!

Exkurs:
Wie denken Psychologen?

Psychologie ist nun mal keine exakte Wissenschaft wie die Mathematik, die mit unzweifelhaften Beweisen arbeitet. Die Psychologie versteht sich selbst natürlich schon als Wissenschaft, aber ihr hauptsächliches Werkzeug ist die Statistik. Es werden Hypothesen aufgestellt und die an mehr oder weniger großen Stichproben mit mathematisch-statistischen Methoden überprüft. Psychologen finden es deshalb völlig naheliegend und sinnvoll gewisse Irrtumswahrscheinlichkeiten immer einzukalkulieren. Es ist gar nicht unüblich, dass bei jeder errechneten Irrtumswahrscheinlichkeit kleiner als 5 % die überprüfte Hypothese als bestätigt angesehen werden kann.

Oder andersrum betrachtet: Vielleicht ist die Hypothese ja doch falsch. Nehmen wir mal an, es wird nicht nur diese eine Hypothese überprüft, sondern auch noch 19 andere. Bei einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5 % wäre dann unter den 20 überprüften Hypothesen statistisch gesehen eine drunter, die bei diesem Verfahren fälschlicherweise "durchrutscht", ohne dass es auffallen würde! Das ist natürlich nicht schön, aber andererseits behauptet die Psychologie ja auch nicht die absolute Wahrheit zu kennen. Eine gewisse Rest-Unsicherheit wird deshalb bewusst in Kauf genommen. Man setzt darauf, dass es schon mit der Zeit auffallen würde, wenn man wo total daneben liegt. Und die Erfahrung zeigt, dass dieses Vorgehen unterm Strich sogar recht gut funktioniert.

Aber zurück zur MPU. Ein Problem, das nicht einfach aus der Welt zu schaffen ist, besteht darin, dass der MPU-Gutachter nur sehr wenige Möglichkeiten hat den Wahrheitsgehalt von dem, was Sie ihm erzählen, zu überprüfen. Rein theoretisch kann man lügen, bis sich die Balken biegen! In der Praxis macht das aber keinen Sinn, denn die Wahrheitsfindung ist überhaupt nicht der Sinn der MPU. Es geht bei der Begutachtung nicht um schwarz oder weiß und nichts dazwischen. Der Gutachter ist sich selbst verständlich bewusst, dass seine Prognose mit einer gewissen Unsicherheit behaftet ist. Wenn Sie bestehen wollen, ist es Ihre Aufgabe, diese Unsicherheit so klein wie möglich zu halten. Und wenn Sie ihm antworten, dass Sie außer bei den 8 mal, wo Sie geblitzt wurden und die Punkte gesammelt haben, sonst niemals zu schnell gefahren sind (großes Indianerehrenwort - aber beweisen können Sie es halt leider nicht), dann wird das seine Unsicherheit für die Prognose bestimmt nicht zu Ihren Gunsten beeinflussen!

Es versteht sich von selbst, dass niemals aktenkundig gewordene Ereignisse nur dann freiwillig berichtet werden sollten, wenn das positiv für Sie wirkt. Warnen muss ich aber vor der weit verbreiteten Tendenz zur Beschönigung. Ich erlebe es immer wieder, dass trotz meinen ausdrücklichen Hinweisen beim Gespräch mit dem Gutachter dann doch "geglättet und geschönt" wird. Deshalb nochmals: Sie schaden sich damit nur! Aus Gutachtersicht hat es jeder, der zur MPU muss, faustdick hinter den Ohren. Jede Verharmlosung wird als mangelnde Einsicht gedeutet.

Zusammenfassung

Ich hoffe, ich konnte deutlich machen, was bei der MPU auf Sie wartet und auch, welche Überlegungen dahinter stecken. Vielleicht haben Sie auch einen Eindruck davon bekommen, dass es nicht zum Erfolg führen kann, wenn man die MPU auf die leichte Schulter nimmt. "Ich sag einfach die Wahrheit" hilft nicht weiter, denn es geht nicht um die Wahrheit bei der Begutachtung, sondern Hintergründe für das Problemverhalten sind gefragt und im zweiten Teil überzeugende Berichte die durchgeführten Veränderungen betreffend.

Durch die relativ engen Vorgaben, an die sich der Gutachter bei seiner Arbeitsweise halten muss, verliert die ganze Sache aber einen guten Teil seines Schreckens, wenn man entsprechend professionell vorbereitet antritt.

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