MPU-Widerspruch nicht möglich
Was dieser Beitrag behandelt:
Was die meisten zum ersten Mal Betroffenen nicht wissen: Ein Widerspruch gegen die MPU ist nicht möglich! Und zwar sogar in zweifacher Hinsicht. Man kann nämlich weder gegen die "Anordnung" der MPU Widerspruch einlegen noch gegen das Ergebnis der Begutachtung. Man mag das zwar erst kaum glauben (ging mir selber auch so), es ist aber leider eine traurige Tatsache.
Ich weiß natürlich nicht, ob die ganze Konstruktion fiese Absicht war (ich halt's eher für eine wenig durchdachte mißglückte Regelung, wie man sie ja nicht so selten auch sonst findet), ändert aber für den Betroffenen eh nichts.
Welche Logik steckt dahinter?
Um zu verstehen, wie eine solche verblüffende Regelung überhaupt begründet wird, muß man einen näheren Blick auf die ganze Konstruktion MPU werfen:
- Die MPU muß man in engem Zusammenhang mit dem Punktesystem sehen, aber es ist kein 1:1 Zusammenhang (siehe z.B. eine Trunkenheitsfahrt mit mehr als 1,6 Promille, die auch dann automatisch die MPU "auslöst", wenn man keine 8 Punkte hat).
- Hinter dem Flensburger Punktesystem steckt der Gedanke, diejenigen Verkehrsteilnehmer herauszufiltern, die durch besonders viele und/oder besonders krasse Verkehrsverstöße wiederholt auffallen - in der Annahme, daß sie eine erhöhte Gefahr für die Allgemeinheit im Straßenverkehr darstellen.
- Der Punktekatalog legt detailliert fest, wieviele Punkte man sich womit "verdient". Es sind für jeden nachlesbar feste Grenzen definiert (der "Warnschuß" vorab und das Fahrverbot bei 8) und die damit verbundenen Konsequenzen.
- Es wird angenommen, daß Verkehrsteilnehmer, die diese Grenzen trotzdem überschreiten, das wahrscheinlich immer wieder tun werden. Sie scheinen ja die Regeln nicht ernst zu nehmen.
- Es wird vermutet, daß diese Menschen zur Teilnahme am Straßenverkehr ungeeignet sind. Deshalb wird ihnen der Führerschein dauerhaft entzogen, um die Allgemeinheit vor dieser Gefahr zu schützen.
Jetzt kann man natürlich über Festlegungen des Punktesystems im einzelnen schimpfen und dieses oder jenes als "besonders ungerecht und weltfremd" empfinden. Ich denke aber, die Logik insgesamt ist durchaus nachvollziehbar und nicht ganz von der Hand zu weisen.
Wenn man genau nachdenkt, ist auch nicht so abwegig, wieso man keine Widerspruchsmöglichkeit gegen eine auf diese Weise "produzierte" MPU hat: Widerspruch hätte man nämlich bereits gegen jeden einzelnen Bußgeld- oder Strafbescheid einlegen können (wie aussichtsreich, das ist natürlich eine andere Frage). Wenn man das nicht getan hat oder mit dem Widerspruch nicht erfolgreich war, bekam man die entsprechende Anzahl Punkte, die sich dann in der Summe eben angesammelt haben. Diese Tatsache allein erklärt aber nicht, wieso dann plötzlich nochmals erneut eine Widerspruchsmöglichkeit bestehen sollte - so unangenehm das auch sein mag.
Einordnung der MPU
Wenn man das bisher Gesagte aufmerksam gelesen hat, sollte einem aufgefallen sein, daß die MPU noch nirgends vorkam.
Es kommt zum Entzug des Führerscheins, weil eben der Verdacht besteht, daß der Verkehrssünder als Verkehrsteilnehmer für die Allgemeinheit eine erhebliche Gefahr darstellt. Weil der Gesetzgeber der Ansicht war, das müsse unbedingt vermieden werden, zieht man ihn jetzt aus dem Verkehr.
Es ist zwar bisher nur ein Verdacht, aber der Gesetzgeber kam bei Abwägung der sogenannten Rechtsgüter zu dem Schluß, daß es besser ist, hier lieber kein Risiko für die Allgemeinheit einzugehen.
Der Verkehrssünder bekommt aber noch eine Chance: Wenn er nachweisen kann, daß er sich nachhaltig soweit geändert hat, daß er keine Gefahr mehr darstellt, bekommt er seinen Führerschein wieder zurück. Als Nachweis wird nur eine erfolgreich absolvierte Medizinisch-Psychologische-Untersuchung (MPU) akzeptiert.
Die MPU wird nicht »angeordnet«
Tatsächlich wird jede MPU immer "freiwillig" durchgeführt. Keiner wird dazu gezwungen. In dem Schreiben, das einen faktisch mit der MPU beglückt, wird einem nur mitgeteilt, daß aus den und den Ursachen Grund zur Annahme besteht, man wäre zur Teilnahme am Straßenverkehr nicht geeignet. Man bekommt Gelegenheit durch eine positive MPU das Gegenteil zu belegen (Fristsetzung, meist 2-3 Monate). Wenn man diesen Nachweis nicht fristgerecht führt, wird der Entzug des Führerscheins angeordnet werden - der mindestens 10 Jahre lang gelten wird (meistens sogar 15), bis man den Nachweis geführt hat!
Rein rechtlich Widerspruch einlegen kann man natürlich gegen den Entzug des Führerscheins, aber bis auf ganz wenige Ausnahmen ohne nennenswerte Aussicht auf Erfolg (schließlich hätte man ja die MPU wahrnehmen können!). Dazu kommt, daß der Führerschein ja nun erst mal weg ist und sich eine endgültige Entscheidung über den Widerspruch gewaltig in die Länge ziehen kann. Es ist also kein verlockender Weg.
Nur ein halber Automatismus
Man könnte jetzt denken, wenn alles so klar und verbindlich geregelt ist, wird es sicher automatisch gehen. Führerschein weg, bumm! So ist es aber nicht, denn die regionale Führerscheinstelle steht noch dazwischen. Dort sitzt ein Sachbearbeiter, der natürlich auch seine Aufgaben haben muß. Eine davon ist, daß er die auf dem Amtsweg bei ihm eingehende Post im Auge behält und auch merkt: Hoppla, da ist wieder einer, der ja zur Teilnahme am Straßenverkehr ungeeignet zu sein scheint!
Es ist nicht alles Gold was glänzt...
Unangenehm, wenn man betroffen ist, aber klingt doch alles ganz reell, oder? Oberflächlich betrachtet ja, aber die Praxis hat Schönheitsfehler:
Die Führerscheinstelle bekommt eine sehr wichtige Funktion. Es scheint zwar so, als wäre das nur eine Formsache, aber tatsächlich ist es oft so, daß ein ganz gewöhnlicher Sachbearbeiter plötzlich erstaunlich viel Macht hat. Wie abhängig man von seiner Willkür sein kann, merkt man spätestens dann, wenn man eine Fristverlängerung braucht.
Nicht unterschätzen sollte man auch die vielen möglichen Anlässe, von denen man als Normalsterblicher nichts Führerschein-Bedrohliches ahnt, die aber den Sachbearbeiter der Führerscheinstelle vermuten lassen können, man wäre zur Teilnahme am Straßenverkehr nicht geeignet.
Es kann sehr schwierig bis unmöglich sein, sich gegen so etwas zu wehren ohne zu riskieren, daß man ohne MPU schwuppdiwupp erst mal auf ungewisse Dauer Fußgänger wird. Das Problem hängt fast immer mit dem unglücklichen "Anhängsel-Status" der MPU beim Führerscheinentzug zusammen.
Ähnlich unbefriedigend empfinde ich die extrem geringen Möglichkeiten das Ergebnis der MPU überhaupt irgendwie anzuzweifeln.
Wenn z.B. in einem Prozeß ein Gutachter geladen wird, ist es fast der Normalfall, daß die Gegenseite ein zweites abweichendes Gutachten präsentiert, das wichtige Einzelheiten anders bewertet und dadurch zu einem völlig anderen Ergebnis kommen kann. Es ist auch nicht ungewöhnlich, daß jede Seite einen Gutachter eigener Wahl benennt.
Zusammenfassung:
Ein Gutachten außerhalb der offiziellen MPU-Maschinerie ist nichts Wert. Die Wahlfreiheit ist darauf begrenzt zu entscheiden, ob man lieber zu TÜV, AVUS, PIMA oder einer anderen der für die MPU zugelassenen Institutionen gehen mag. Das extrem enge Korsett für den Ablauf der Begutachtung ist aber überall das gleiche.
Die einzige Möglichkeit außer der Reihe, die manchmal in ganz speziellen Fällen Sinn machen kann, ist noch immer das Beibringen eines Obergutachtens (das es eigentlich nicht mehr offiziell gibt, aber wie vieles rund um die MPU ist auch das eine etwas schräge Geschichte...).