MPU-Missverständnisse
Wie Vorbereitung nicht funktionieren kann
Was dieser Beitrag behandelt:
In meinen MPU-Vorbereitungs-Kursen stoße ich immer wieder auf Missverständnisse, wie man sich fit für die Begutachtung machen sollte. Besonders häufig ist die falsche Sichtweise des MPU-Gesprächs als sehr starres Frage-Antwort-Spiel, bei dem es darum geht, ähnlich wie bei der Theorieprüfung in der Fahrschule alle Fragen mit den richtigen Antworten auswendig zu lernen. Andere Klienten sind in ihrer Erkenntnis einen Schritt weiter und haben verstanden, dass die Fragen irgendeinen mehr oder weniger geheimnisvollen Zusammenhang mit dem eigenen Fall haben, und darauf müssen die Antworten nun eben passen. Das stimmt zwar »irgendwie« schon, aber die Wirklichkeit der Begutachtung ist dann doch noch um einiges komplexer.
Die Beurteilungskriterien

Wer schon einmal in die Beurteilungskriterien für die MPU hinein schauen konnte, wird überrascht gewesen sein, dass man dort keinen einzigen Fragenkatalog findet.
Es ist ein ziemlich hartes Brot, wenn man dieses Buch tatsächlich von Anfang bis Ende durcharbeiten möchte. Man kann das natürlich tun, aber so ist das Buch einfach nicht gedacht. Wenn man es zum Nachschlagen und Vertiefen verwendet, macht es schon viel eher Sinn. Allerdings muss man dafür mit den Grundlagen der Beurteilung bereits gut vertraut sein. Das ist auch der Grund, warum dieses teuere Buch zur Vorbereitung auf die MPU für Laien nicht zu empfehlen ist.
Es hilft, wenn man sich klar macht, wofür die MPU dienen soll: Es geht um eine Prognose Ihres zukünftigen Verhaltens im Straßenverkehr, falls Sie wieder fahren dürfen. Ist damit zu rechnen, dass es wieder zu den gleichen oder ähnlichen Verstößen kommen wird? Dann wären Sie weiterhin eine besondere Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer, und die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis käme nicht in Frage. Unangenehm ist, dass die Messlatte ziemlich hoch liegt. Schon leichte Zweifel des Gutachters haben meistens ein negatives Gutachten zur Folge.
Es ist verständlich, dass niemand darüber begeistert sein wird, wenn er zur MPU muss. Die meisten Betroffenen fühlen sich dabei ausgeliefert und sehr ungerecht behandelt. Die Einrichtung MPU wird von vielen als absolute Willkür angesehen, weil ja angeblich der psychologische Gutachter »fast wie Gott« Entscheidungen treffen kann, gegen die man absolut wehrlos ist - so jedenfalls ein weit verbreitetes Vorurteil.
Wer sich dieser Sichtweise anschließt, der blendet wichtige Faktoren aus und tut sich damit selbst keinen Gefallen. Ich möchte deshalb hier genauer hinschauen und Ihnen zu einem realistischeren Verständnis verhelfen.
Auf der Suche nach der Logik der MPU
Um die zu verstehen sollten wir einen Blick auf die Frage nach der Gefährdung werfen, denn das ist nämlich der Dreh- und Angelpunkt. Es muss ja bekanntlich nicht jeder zur MPU antreten, sondern das sind tatsächlich nur sehr wenige: nur ungefähr jeder tausendste Führerscheininhaber nämlich. Jeder davon hat sich vorher einen oder mehrere Verstöße geleistet, die entweder durch die ungewöhnliche Höhe oder Häufigkeit der Verstöße auffallen. Es ist also etwas sehr handfest Greifbares geschehen. Deshalb ist es sicher nicht abwegig, wenn darin eine ganz besondere Gefährdung für andere Verkehrsteilnehmer gesehen wird. Diese Gefährdung soll deutlich reduziert werden, so lautet die Aufgabe der MPU.
Wie dieses Ziel am besten erreicht werden kann, darüber kann man unterschiedlicher Meinung sein. Tatsache, an der Sie ohnehin nicht rütteln können ist aber folgende: Bei der MPU soll die Reduzierung der Gefährdung dadurch erreicht werden, dass diejenigen Verkehrsteilnehmer, die als besonderes Risiko eingestuft werden, einfach nicht mehr fahren dürfen - basta!
Dadurch, dass Sie zur MPU aufgefordert werden, gehören Sie ganz automatisch zu dieser Hoch-Risiko-Gruppe - denn sonst müssten Sie ja auch nicht zur MPU. Wahrscheinlich haben Sie jetzt auch das Gefühl: Irgendwie beißt sich bei dieser Argumentation die Katze doch in den Schwanz! Es wird damit völlig ausgeschlossen, dass auch ab und zu Fehler vorkommen können. Und viele Betroffene empfinden sich deshalb »ungerecht behandelt«, weil sie ihren eigenen Fall in einem besonderen Licht sehen.
Leider hilft das überhaupt nicht weiter, denn die Karten liegen offen auf dem Tisch - nur schauen sie viele Verkehrsteilnehmer gar nicht an. Jeder, der sich informieren möchte, hätte das schon längst tun können und wäre deshalb von der Aufforderung zur MPU nicht überrascht worden. Wer sich trotzdem drüber beklagt, der verhält sich ungefähr so wie derjenige, der sein Auto unverschlossen abstellt und den Geldbeutel offen auf dem Beifahrersitz liegen lässt: Wie gemein, dass den jetzt einer geklaut hat!
Was ich damit sagen möchte
Sie hätten wissen können (und haben es ja vielleicht auch gewusst), auf welches Risiko Sie sich eingelassen haben. Jetzt ist es zu spät, es ist bereits passiert. Und Sie sind der Hoch-Risiko-Gruppe zugeordnet, was zur Folge hat, dass Sie »aus dem Verkehr gezogen« werden, und zwar dauerhaft. Der einzige Ausweg, um dem zu entgehen, besteht darin, dass Sie ein positives MPU-Gutachten vorlegen können. Und das kann nur dann gelingen, wenn Sie die Funktionsweise der MPU bis ins Detail verstanden und Ihren Fall dafür entsprechend so aufgearbeitet haben, dass Sie der psychologische Gutachter nicht mehr als Hoch-Risiko-Faktor einstuft.
Die Funktionsweise der Begutachtung
Sie müssen also verstanden haben, welches die Kriterien sind, nach denen Ihre Begutachtung erfolgt. Nur wenn Sie die erforderlichen Kriterien erfüllen, können Sie bei der MPU Ihr Ziel erreichen.
Dass man in den Beurteilungskriterien keine Fragenkataloge findet, hat natürlich einen Grund. Schauen Sie sich die Grafik oben an. Links sehen Sie das Fragenschema des psychologischen Gutachters angedeutet. Dieses Schema gibt aber keine ausformulierten Fragen vor, sondern es legt fest, welche Themenbereiche der Gutachter zu behandeln hat und wie die dabei gewonnenen Erkenntnisse einzuordnen sind.
Ihr individueller Fall als »Filter«
Ich möchte das an einem Beispiel erklären: Eine Frage, die so oder ähnlich formuliert immer kommen wird, ist die nach dem Warum des problematischen Verhaltens, denn der Gutachter soll sehr genau untersuchen, ob Ihre Aufarbeitung gründlich genug war, dass Sie inzwischen alle wesentlichen Zusammenhänge erkannt haben. Bei einer Alkohol-MPU wird es nicht nur darum gehen, warum der Kandidat im alkoholisierten Zustand ins Auto gestiegen ist, sondern es interessiert besonders, warum er überhaupt so viel getrunken hat. Und zwar nicht nur an dem betreffenden Tag, sondern auch sonst. Hier geht es also ans Eingemachte, an sehr private Dinge meistens. Es ist wichtig, dass sich der Gutachter in die Lage des Kandidaten hinein denken kann, damit er versteht, welche Funktion der Alkohol für ihn hatte. Dafür reichen ein paar oberflächliche Auskünfte nicht aus, denn es geht ja immerhin darum, dass am Ende der Begutachtung eine Prognose abgegeben werden muss.
Ihr individueller Fall hat bezogen auf das Fragenschema eine Art Filterfunktion. Nach Durchlaufen dieses Filters ordnet der Gutachter den Kandidaten entsprechend ein. Diese Einordnung entscheidet im Fall der Alkohol-MPU z.B. auch darüber, ob kontrolliertes Trinken möglich ist oder ob dauerhafter Alkoholverzicht zu fordern ist. Weil dieser Filtermechanismus nicht banal ist, kann eine simple direkte Frage-Antwort Zuordnung nicht zum Ziel führen.
Gab es wirklich gar keinen Grund?
Immer wieder bekomme ich in meinen Vorbereitungsgruppen als Antwort auf mein hartnäckiges Nachfragen zu hören: "Es gab aber wirklich keinen besonderen Grund, warum ich das damals gemacht hab!" Ich will das durchaus erst mal glauben. Das Problem ist aber: Damit haben Sie keine Chance auf ein positives Gutachten. Bedenken Sie, dass der Gutachter ja eine Prognose über Ihr künftiges Verhalten abgeben muss. Wenn ihm da aber einer gegenüber sitzt, der felsenfest beteuert, dass es wirklich keinen besonderen Grund für sein problematisches Verhalten gab - warum sollte das dann in Zukunft nicht wieder vorkommen? Wenn Sie das »nur so, ohne besonderen Grund« gemacht haben, dann sind Sie anscheinend ein Mensch, der sich leicht von spontanen Ideen leiten lässt. Die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls in dieses Verhalten wäre deshalb sehr hoch. Der Verkehrspsychologe muss Ihnen ein negatives Gutachten geben. Da hat er keinen Entscheidungsspielraum.
Die Suche nach Veränderungen
Nicht zu unterschätzen ist auch die Wichtigkeit der Veränderungen. Hier gibt es viele Missverständnisse, z.B. folgender Art: "Ich werde das in Zukunft ganz bestimmt nicht mehr machen, weil für mich der Führerschein einfach total wichtig ist!" Eine solche »Veränderung« ist aber keine, sondern das ist nur ein schöner Vorsatz. Sie haben aber bestimmt schon vorher gewusst, dass der Führerschein für Sie wichtig ist, und Sie haben auch gewusst, dass Sie ihn mit Ihrem Verhalten aufs Spiel gesetzt haben. Sie haben sich jetzt kräftig die Finger verbrannt. Die Statistik zeigt aber deutlich, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis man daran nicht mehr denkt. Deshalb reicht das nicht als Veränderung.
Die Frage nach der Motivation
Für die Prognose ist es auch wichtig, dass der Gutachter die Stabilität der Veränderung einschätzen kann. Dass Strafe und weitere unangenehme Konsequenzen drohen, das hat Sie bisher nicht wirklich beeindrucken können, wie ja klar zu sehen ist. Eine langfristig stabile Verhaltensänderung ist deshalb nur dann zu erwarten, wenn eine ausreichende Motivation dahinter steckt. Gesucht wird eine »von innen heraus« kommende Motivation. Der Wunsch nach dem Führerschein wäre aber nur eine rein äußerliche Motivation und würde zur Stabilisierung nicht ausreichen.
"Sagen Sie mir einfach die richtigen Antworten!"
Diesen naiven Wunsch bekomme ich öfters zu hören. Dahinter steckt die Vorstellung: Ich gehe zum Psychologen und bezahle ihn dafür, dass er mit mir Fragen und Antworten trainiert, dann bestehe ich auch die MPU.
Ich will nicht behaupten, dass es von Grund auf unmöglich wäre eine solche MPU-Vorbereitung mit passablen Erfolgsaussichten durchzuführen - aber es macht einfach keinen Sinn von Anfang bis Ende nur »schauspielern« zu wollen. Um so etwas stabil hinzukriegen, wäre der dafür nötige Aufwand um ein Vielfaches höher als mit dem tatsächlich Vorgefallenen zu arbeiten. Es wäre ungefähr so, wie wenn ein Rechtshänder ohne Not beschließen würde sich zum Linkshänder umzutrainieren. Machbar dürfte das schon sein - aber warum sollte man es tun?
Ganz ähnlich sehe ich das bei der MPU-Vorbereitung: Wenn es doch eh schon einen oder mehrere reale Vorfälle gibt (die Sie ja jetzt zur MPU geführt haben), warum dann etwas komplett Getürktes zusammenbasteln? Doch nicht etwa nur deshalb, um hinterher die Genugtuung zu haben: "Na, den Gutachter hab ich aber nach Strich und Faden angelogen!"
Bleiben Sie lieber bei dem, was tatsächlich geschehen ist und aus welchen Gründen. In meiner MPU-Vorbereitung werden wir das gemeinsam so durcharbeiten, dass ein klarer Roter Faden sichtbar wird - für Sie selbst und für den Gutachter. Dann haben Sie nichts zu befürchten.
Zusammenfassung:
Die MPU ist keine Geheimwissenschaft und auch kein Würfelspiel. Ziel ist die Prognose Ihres zukünftigen Verhaltens, um zu entscheiden, ob Sie weiterhin eine hohe Gefährdung sind. Woran sich der Gutachter dabei orientieren muss, ist eindeutig festgelegt. Gute Vorbereitung auf die MPU bedeutet deshalb, dass Sie Ihren individuellen Fall so aufbereiten, dass ein deutlich sichtbarer Roter Faden entsteht, der die auf Ihren Fall angewandten Kriterien so verbindet, dass am Ende die positive Begutachtung stehen muss. Das ist keine Hexerei, aber es ist bestimmt nicht »einfach nur so« aus dem Ärmel geschüttelt erreichbar.