Cannabis auf Rezept

Was dieser Beitrag behandelt:

  • Drogen-Fragestellung oder Medikamenten-Fragestellung?
  • Neue Schwerpunktsetzung
  • Was daraus folgt

Mit der Einführung der 4. Auflage der Beurteilungskriterien wurde ja auch eine neue Fragestellungsgruppe geschaffen: die M-Fragestellungen. Das besondere dabei ist, dass diese Gruppe einer etwas anderen Logik folgt und deshalb auch anders aufgebaut ist. In dieser Gruppe finden sich jetzt diejenigen Klienten wieder, die Cannabis auf Rezept bekommen.

Eine andere Perspektive

Während Cannabis auf Rezept aus der MPU-Perspektive ziemlich skeptisch betrachtet wurde und vor allem der Weg vom Kiffer zum Cannabis-Patient aufmerksam betrachtet wurde (was zu teilweise recht seltsamen "argumentativen Blüten" führte), interessieren diese Fragen durch die neue Verortung unter den M-Themen kaum mehr. Der Titel der M-Hypothesen lautet ja Medikamentenmissbrauch oder Dauermedikation. Man sieht daraus, dass nicht mehr jeder M-Klient automatisch in unmittelbare Nähe von Drogen und eventuell sogar Abhängigkeit gesteckt wird. Ich meine, das ist zumindest vom Grundgedanke her eine erfreuliche Entwicklung.

Ist Cannabis ein Medikament?

Jedes auf dem Markt frei gegebene Medikament muss vorher sehr anspruchsvolle und aufwendige Untersuchungen durchlaufen haben, um Katastrophen wie z.B. beim Contergan-Skandal zu vermeiden. Diese Prozedur hat aber das ärztlich verschriebene Cannabis nicht durchlaufen und kann deshalb nicht als klassisches Medikament angesehen werden. Der Verzicht auf die aufwendigen Untersuchungen hat aber zur Folge, dass es keine wissenschaftlich abgesicherten Erkenntnisse zur Dosierung und zu Nebenwirkungen gibt. Das bringt bezogen auf den Straßenverkehr gewisse Probleme.

Die verschwundene Gefährdung

Wer illegal Cannabis konsumiert und sich ans Steuer setzt, der wird bis runter zum doch sehr niederen Wert von 1,0 ng/ml als Gefahr im Straßenverkehr betrachtet - es folgt MPU. Dem gegenüber stehen jetzt aber Verkehrsteilnehmer, die legal konsumieren (Cannabis auf Rezept) und für die diese Grenze nicht gilt. Argumentativ ist das natürlich mindestens heikel.

Wenn man sich die M-Hypothesen genau anschaut, kann man erkennen, worauf das rausläft: Die Rolle des Arztes ist aufgewertet worden und dem Patient wird jetzt mehr Eigenverantwortung zugetraut. Die beiden Begriffe Compliance und Adhärenz sind dabei sehr wichtig. - In den Grundlagen zur M-MPU wird das ausführlich behandelt.

Die jetzige Situation

Man konnte kaum übersehen, dass es bis vor kurzem eine deutliche Tendenz gab Cannabis auf Rezept so unattrktiv wie möglich zu machen. Mit der Schaffung der M-Fragestellungen und der Einordnung in diese Gruppe dürfte das aber hoffentlich ein Ende gefunden haben.

Nicht so begeisternd finde ich aber, dass es (auch wenn das nicht explizit drin steht) jetzt wohl so aussehen, dass eine M-MPU zwingend nötig für Cannabis-Patienten geworden ist. Man kann sich fragen, was das bedeutet:

  1. Der behandelnde Arzt hat ja Schweigepflicht. Von ihm kann die Führerscheinstelle also eigentlich nichts erfahren.
  2. Wer Cannabis-Patient geworden ist, wird wahrscheinlich kaum zur Führerscheinstelle marschieren und sagen: "Hallo, bin jetzt Cannabis-Patient, brauche MPU dafür!"
  3. Heißt das also, dass man so lange ungeschoren davon kommt, bis man mal rein zufällig in eine Routinekontrolle kommt?

Falls dem tatsächlich so sein sollte, ist das ja auch nicht gerade ein besoders angenehmer Gedanke, finde ich…

Zusammenfassung:

Das Thema Cannabis auf Rezept ist in Bewegung geraten: Durch Einführung der M-Fragestellungen hat eine Neueinordnung stattgefunden. Das hat einerseits eine ganze Reihe von nebulösen Unklarheiten beendet (was dringend Überfällig war), andererseits aber auch neue Fragen aufgeworfen. Nach wie vor sieht es aber ziemlich sicher weiterhin so aus, dass es kaum ausreichen wird bei einer Kontrolle lediglich das Rezept vorzuzeigen und gut isses.