Die MPU-Logik verstehen

Was dieser Artikel behandelt:

Wer zur MPU muss, um den Führerschein zurück zu bekommen oder ihn behalten zu dürfen, sieht sich einem nur schwer durchschaubaren System ausgeliefert, fühlt sich ungerecht behandelt und kommt sich zeitweise vor wie der Goldesel für andere. Aller Ärger hilft aber kein bisschen weiter. Deshalb möchte ich Ihnen hier so kurz wie möglich die Logik erklären, auf der die MPU aufbaut.

Gefährdung steht ganz groß oben dran

Verkehrstote

Die MPU in Deutschland geht zurück auf das Jahr 1954. Damals hatte die ständig steigende Zahl der Verkehrstoten stark beunruhigt: 1950, dem ersten Jahr der statistischen Erfassung, gab es in der Bundesrepublik Deutschland nur rund 2 Millionen Kraftfahrzeuge, aber trotzdem schon 7408 Verkehrstote. Nur 3 Jahre später waren es bereits 12631 Verkehrstote. Es war klar, dass dringend etwas geschehen musste. Natürlich gab es damals noch viele Gefahrenquellen, die heute stark entschärft sind: Der Straßenzustand war wesentlich schlechter, passive Sicherheit beim Fahrzeugbau war noch weitgehend ein Fremdwort, von Sicherheitsgurten war noch keine Rede und vieles mehr. Da aber die Statistiken zeigten, dass besonders Alkohol im Straßenverkehr ein erheblicher Risikofaktor ist, war schon damals und ist es auch heute noch der Gedanke, dass hier anzusetzen ist, bestimmt nicht abwegig.

Der Zweck der MPU soll also darin bestehen, dass die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer reduziert wird und in der Folge natürlich auch die Unfallzahlen. Ich denke, gegen dieses Ziel kann jeder halbwegs vernünftig denkende Mensch nichts einwenden.

Wie erkennt man »die besonders Gefährlichen«?

Da es bei rund 60 Millionen Führerscheininhabern in Deutschland unrealistisch wäre jeden einzelnen regelmäßig auf sein Gefährdungspotenzial hin zu überprüfen, hat man eine Reihe von Kriterien festgelegt, die helfen sollen, die »Problemkandidaten« zu entdecken. Hier eine kleine Auswahl dieser Kriterien:

Diese Liste ist nicht vollständig, aber es ist schon zu erkennen, dass es sehr klar definierte Kriterien gibt (z.B. die Zahl der Punkte), aber auch solche, die mehr Ermessensspielraum lassen. Tatsache ist aber: Man muss nur dann zur MPU, wenn vorher irgendetwas vorgefallen ist, das einem oder mehreren Vergehen aus der Liste der Kriterien entspricht. Das bedeutet, dass Aufforderung zur MPU »einfach nur so«, also ohne konkreten Anlass, nicht möglich ist.

Die MPU war nicht als Strafe gedacht

Es ist leicht nachvollziehbar: Wer zur MPU muss, der empfindet das natürlich als eine zusätzliche Strafe, allein schon wegen dem hohen Aufwand und den nicht unerheblichen Kosten. Der Grundgedanke war aber ein ganz anderer: Wenn Sie nämlich zu einer der Hoch-Risiko-Gruppen im Straßenverkehr gehören, dann ist vorgesehen, dass Ihre Fahrerlaubnis dauerhaft entzogen wird, denn es geht nicht um eine Strafe für Sie, sondern um die Erhöhung der Sicherheit für die anderen Verkehrsteilnehmer. Weil aber ja angeblich jeder Mensch lebenslang lernfähig sein soll, bedeutet das, dass auch Sie sich eines Tages zum Positiven entwickelt haben können, dass Sie dann keine besondere Gefahr mehr darstellen und man Sie wieder fahren lassen kann.

Um genau das zu überprüfen, dafür ist die MPU vorgesehen.

Unverständnis?

Sie schütteln nur fassungslos den Kopf? Schauen wir also noch etwas genauer hin: Es gibt sicher eine Menge Fälle, wo die Gefährdung sofort krass ins Auge springt (z.B. Verkehrsunfall bei 2,5‰ mit Schwerverletzten, um nur ein Beispiel zu nennen). Es gibt aber auch andere Fälle, wo die Gefährdung für die Allgemeinheit nicht so offensichtlich ist (z.B. der stark alkoholisierte Radfahrer auf dem Feldweg - der gefährdet doch eigentlich nur sich selber, oder!?). Darüber kann man sicher lange diskutieren und immer neue Beispiele finden.

Das Problem dabei ist, dass die Sache mit den Kriterien (siehe weiter oben) natürlich auch ihre Grenze hat, was sie wie exakt getrennt leisten kann. Es wird also immer welche geben, bei denen es ganz offensichtlich ein Volltreffer war, und andere, die sich im Vergleich dazu sehr ungerecht behandelt fühlen, weil sie in ihrem individuellen Fall die Gefährdung für die Allgemeinheit kaum sehen, aber trotzdem gleich behandelt werden.

Diesen Punkt kann man ganz gewiss in Frage stellen und als verbesserungswürdig bemängeln. Das ändert aber nichts daran, dass bestimmte Grenzen nun einmal definiert worden sind, und wer die überschreitet, bei dem ist der Verdacht gegeben, dass er das auch in Zukunft wieder tun könnte, denn absolut niemand hat ihn gezwungen 150 statt 100 zu fahren oder mit 1,8‰ noch ins Auto zu steigen. Solche Dinge kann man nun mal nicht einfach abstreiten.

Die Prognose - nur Wahrsagerei?

Bei der MPU geht es um eine Prognose Ihres künftigen Verhaltens im Straßenverkehr. Das ist etwas völlig anderes als bei einer Gerichtsverhandlung, bei der ja angeblich die Wahrheitsfindung obenan steht. Dass man für die MPU einen Verkehrspsychologen festgelegt hat und nicht einen Richter, ist also kein Zufall. Der Verkehrspsychologe bringt für seinen Job nämlich eine Portion Spezialwissen mit.

Bisher sind Sie noch recht pauschal einer intern recht verschiedenartigen Gruppe zugeordnet, die lediglich als Gemeinsamkeit haben, dass sie alle eine oder mehrere Kriterien erfüllen, nach denen die Gruppe der Hoch-Risiko-Verkehrsteilnehmer eben definiert ist.

Bekanntlich wird niemand zur MPU gezwungen. Wie ist das zu verstehen? Nun, auf den ersten Blick ist es bloß reine Spitzfindigkeit, denn natürlich sagt jeder Betroffene: "Ich muss zur MPU, damit ich den Führerschein wieder kriege!" Dieser Satz stimmt - aber niemand muss den Führerschein haben. Es gibt in Deutschland zwar Schulpflicht, aber keine Führerscheinpflicht. Und es gibt tatsächlich sogar ganz normale erwachsene Menschen, 30, 40 und mehr Jahe alt, die seit eh und je mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs sind und das nicht als Einschränkung empfinden. Insofern stimmt es: Man muss wirklich nicht zur MPU, denn man kann seinen Führerschein auch schlicht »aufgeben«.

Da Sie diese Seiten hier lesen, gehe ich davon aus, dass Sie aber zu denen gehören, die ihn wieder haben wollen - und deswegen eben doch zur MPU müssen.

Warum eine MPU ohne Vorbereitung nicht funktioniert

Wenn Sie zur MPU erscheinen, wird vorausgesetzt, dass Sie Ihr gefährdendes Verhalten im Straßenverkehr sorgfältig aufgearbeitet haben und daran anschließend so wesentliche Veränderungen (in Ihrem Leben!) vorgenommen haben, dass Sie deswegen jetzt keine überdurchschnittliche Gefahr mehr darstellen, so dass man Sie wieder »mitspielen« lassen kann.

Das bedeutet: Sie treten zur MPU an, weil Sie jetzt Ihrer eigenen Meinung nach keine Gefahr mehr darstellen, und das wollen Sie im Detail darlegen. Der psychologische Gutachter hat die Aufgabe, das alles genau unter die Lupe zu nehmen und Sie in einem wesentlich feineren Raster in verschiedene Kästchen einzuordnen. Da es um eine Prognose geht, spielt hier die Statistik eine wesentliche Rolle, denn ein besseres Werkzeug hat er nicht zur Hand.

Hier ein Beispiel: Nehmen wir an, Sie hatten vor mehreren Jahren bereits eine Alkohol-MPU, die Sie positiv abschließen konnten. Jetzt sind Sie erneut wegen Alkohol hier. Mit dieser Vorgeschichte wird Sie der Gutachter in »A2« einordnen. Kontrolliertes Trinken ist für Sie nicht mehr ausreichend zuverlässig möglich (das belegt die Statistik!), und deshalb sind 12 Monate Abstinenznachweis nötig.

Ich hoffe, Ihnen ist deutlich geworden, dass es extrem wichtig ist, dass Sie diese Feinstruktur mit ihren besonderen Merkmalen nicht nur kennen, sondern sich darin auch gut zurechtfinden können. Oft ist es nämlich so, dass Sie oft inhaltlich gleiche Aussagen auf verschiedene Weise formulieren können. Ein paar an sich recht harmlose, aber nicht so glückliche Formulierungen können in der Summe dann dazu führen, dass Sie in einem deutlich ungünstigeren Kästchen einsortiert werden, was leicht zu vermeiden gewesen wäre.

Das ist aber gemein!

So verkürzt dürfen Sie das nicht sehen. Der Gutachter macht das ja nicht, um Ihnen eins auszuwischen. Ich hab ja schon mehrfach gesagt, dass es um eine Prognose künftigen Verhaltens geht, und dafür stützt er sich auf statistische Daten. So weiß man z.B. ziemlich genau, wieviele Prozent der mit über 1,6‰ auffällig Gewordenen innerhalb der nächsten 5 Jahre erneut auffällig werden. Und ebenso kennt man diese Rückfall-Werte natürlich auch für die schon öfter Auffälligen. Es ist nur konsequent, dass der psychologische Gutachter so etwas für seine Prognose berücksichtigt und deshalb z.B. voraussetzt, dass unter den und den Voraussetzungen (also die Vorgeschichte des Kandidaten) Alkoholverzicht nötig ist.

Das bedeutet: Es gibt einerseits aktenkundig vorliegende Informationen, an denen Sie nicht rütteln können und aus denen schon eine erste Einordnung erfolgt. Andererseits gibt es aber den großen Teil dessen, wie Sie Ihre Aufarbeitung und die Veränderungen präsentieren. Es geht dabei nicht um Lügen, sondern einfach darum, dass Sie die für die Bewertung wichtigen Punkte selber kennen und sie entsprechend herausheben können. Ich habe schon viele negative Gutachten gelesen, die an sich gar nicht so schlecht waren. Der Kandidat war aber an ein oder zwei wichtigen Stellen nicht in der Lage, die nötige Verbindung herzustellen. Für den Gutachter heißt das dann: Ansatz ganz gut, aber dort gibt es noch ein Defizit. Blick auf die Statistik besagt, dass unter diesen Voraussetzungen noch keine ausreichend stabile Änderung zu erwarten ist - und damit negatives Gutachten!

Dem psychologischen Gutachter zuarbeiten

Die MPU ist ganz gewiss nicht die Bauernfängerei und die Willkür, wie es immer wieder gerne dargestellt wird. In Wirklichkeit ist in den Beurteilungskriterien so viel bis hinunter zu Kleinigkeiten festgelegt, dass der Spielraum des Gutachters sogar recht begrenzt ist. Ein Problem ist aber, dass die für die psychologische Begutachtung verfügbare Zeit (ca. eine Stunde) sehr knapp ist. Je schlechter der Prüfling da vorbereitet ist und je spärlicher seine Antworten sind, umso weniger bleibt dem Gutachter übrig als auf Wahrscheinlichkeiten und Schubladen zuzugreifen. Es liegt bei Ihnen: Je mehr Sie dem Gutachter zuarbeiten können, indem Sie Ihrem individuellen Fall einen Roten Faden gegeben haben und keine Fragen offen bleiben, umso eher wird er eine positive Prognose für Sie sehen. Auch das ist kein »Kuh-Handel«, sondern statstisch fundiert: Wer sich sorgfältig vorbereitet hat, zeigt viel eher entsprechende Einsicht in das Problematische seines früheren Verhaltens und wird deshalb nicht so leicht rückfällig werden.

Reaktionstests und medizinischer Teil

Die MPU besteht nicht nur aus dem Gespräch mit dem psychologischen Gutachter, aber es ist der weitaus häufigste Grund (ich schätze, es dürften mehr als 95% der erfolglosen Gutachten sein) für ein negatives Gutachten.

Der medizinische Teil

Hier geht es darum, körperliche Mängel zu entdecken und abzuschätzen, inwieweit sie die Fähigkeit zur Teilnahme am Straßenverkehr beeinträchtigen könnten. Die Ausgestaltung des medizinischen Teils orientiert sich an der Fragestellung der MPU. So wird z.B. bei MPU wegen Punkten oder Straftaten keine Blutprobe genommen, weil hier die Leberwerte o.ä. nicht von Interesse sind. Bei Alkohol-MPU oder Drogen MPU ist das aber anders. Der Verkehrsmediziner stellt auch einige Fragen (z.B. Konsumverhalten früher und heute). Dabei ist unbedingt darauf zu achten, dass die genannten Mengen nicht von dem abweichen dürfen, was man im Gespräch mit dem Psychologen sagt oder bereits gesagt hat (die Reihenfolge der einzelnen MPU-Teile ist nicht festgelegt).

Wer Abstinenznachweise braucht (vor allem, wenn es sogar 12 Monate waren), hat das oft als belastend und sehr unangenehm erlebt. Es erstaunt deshalb nicht, dass man nach erfolgreichem Abschluss das »Erarbeiten« der Nachweise subjektiv als etwas Wichtiges empfindet und meint, das Wesentliche hätte man jetzt ja schon in der Tasche und man kann kaum mehr durchfallen. Das ist ein großer Irrtum! Der medizinische Teil ist eher als »die Eintrittskarte« zu sehen: Er darf keine Mängel von Belang zeigen (z.B. schlechte Leberwerte, die ein Hinweis auf Schädigung durch langen übermäßigen Alkoholkonsum sein könnten), aber einen nennenswerten Beitrag zum Bestehen der MPU leistet der medizinische Teil für sich allein genommen nicht.

Die Reaktionstests

Ernsthafte Probleme damit haben meistens nur Prüflinge, die schon im Rentenalter sind und rein altersbedingt bereits beeinträchtigt sind. Für den normalen Führerschein reichen aber 16% der erzielbaren Punkte. Nur für höhere Anforderungen (LKW, Personenbeförderung usw.) sind 33% nötig. Auch wenn man Probleme haben sollte, ist das aber noch kein Drama. Man kann dann einfach den entsprechenden Test mit etwas anderen Aufgaben nochmals durchlaufen, und meistens klappt es dann. Und wenn auch das noch nichts war, scheitert nicht die ganze MPU daran, sondern es ist eine zusätzliche Fahrerprobung möglich, um bestehende Schwächen genauer zu untersuchen. Wer Fahrpraxis hat, ist meistens aber ohne weiteres in der Lage seine etwas schlechtere Reaktion durch entsprechend umsichtige Fahrweise gut auszugleichen.

Zusammenfassung:

Ich nehme an, dass Ihnen deutlich geworden ist, dass die MPU längst nicht so »frei im Raum schwebt« und offen für Willkür ist, wie viele glauben. Die verbindlichen Beurteilungskriterien, an die sich Verkehrspsychologe und Verkehrsmediziner eng halten müssen, verhindern das. Man sollte sich aber bewusst machen, dass im Zweifelsfall das individuelle Recht auf die Fahrerlaubnis gegen die Gefährdung für die Allgemeinheit abgewogen wird - und die wiegt schwerer!

Während man aus dem Alltagsleben gewöhnt ist, dass für das Bestehen einer Prüfung die Hälfte Richtige ausreicht (entsprechend dann der Note 4), ist das bei der MPU ganz anders: Hier wird in den meisten Fällen bereits eine einzige verbliebene Schwachstelle ausreichen, damit der Psychologe noch keine positive Prognose gibt. Wer das nicht weiß und zu großzügig heran geht, auf den wartet ein böses Erwachen!

Das mag bedrohlich erscheinen, aber so schlimm ist es nicht, denn die Spielregeln sind klar festgelegt. Es warten keine Überraschungen auf Sie, wenn Ihre Vorbereitung Ihnen klar dargelegt hat, wie es abzulaufen hat - Stichwort: Roter Faden.