Die MPU-Grundlagen verstehen

Das Wichtigste zusammengefasst:

  • Die Rolle der Führerscheinstelle
    Formulierung der genauen Fragestellung
  • Die Rolle der MPU-Stelle
    Sind Sie weiterhin eine Gefahr für Andere oder haben Sie entscheidende Veränderungen vorgenommen?
  • Die Prognose
    Ihr zu erwartendes künftiges Verhalten im Straßenverkehr
  • Gründliche Aufarbeitung wird verlangt
    Können Sie dem Gutachter Ihr Verhalten nachvollziehbar erklären? Welche Lücken und Schwachstellen gibt es noch?
  • Niemals verharmlosen oder beschönigen
    Verharmlosung führt zu negativer Prognose!

Es ist wichtig, dass Sie die grundlegende Funktionsweise der MPU verstehen, damit Sie nicht in Panik geraten und vor allem die Vorbereitung auf die MPU sinnvoll gestalten können.

I. Die Rolle der Führerscheinstelle

Es ist diejenige Instanz die gewissermaßen Ihren Führerschein "verwaltet" und Maßnahmen durchführt wie Entzug der Fahrerlaubnis, Neuerteilung usw. Sie haben es dort mit einem Sachbearbeiter zu tun, der (hoffentlich…) die für seinen Job wichtigen Rechte und Pflichten kennt - mehr aber meistens nicht. Schon für Fragen wie z.B. nach Abstinenz ist er der falsche Adressat! Es ist wichtig das zu wissen, weil es ohne weiteres passieren kann, dass Sie eine völlig falsche Auskunft bekommen aus falscher Hilfsbereitschaft.

Kleine Anekdote am Rande

Ich spiele ab und zu mit ChatGPT ein bißchen rum. Das ist KI, also Künstliche Intelligenz. Es ist beeindruckend, was es teilweise schon leisten kann. Vertrauen sollte ihm aber nicht ohne gründliche Überprüfung. Ein schönes Beispiel hab ich erst gestern wieder erlebt:

Ich frage just for fun nach dem Weg vom Schwarzen Adler Rottenburg zum Ehgner Eck. Das sind zwei Kneipen, die direkt nebeneinander liegen. ChatGPT liefert mir nicht nur die (völlig falsche!) Wegbeschreibung (es soll 350 Meter Fußweg sein), sondern auch den Link zu Googe Maps (dort angezeigt: Entfernung null Meter). Ich frage spaßeshalber noch nach der Speisekarte vom Schwarzen Adler (reine Getränkekneipe, gibt nix zu essen dort). Ruckzuck krieg ich die Speisekarte präsentiert mit Empfehlung, was besonders gut sei. Kurze Recherche meinerseits ergibt: Das ist die Speisekarte vom Schwarzen Adler in Bad Saulgau (fast 100 km entfernt), aber mit der korrekten Telefonnummer vom Schwarzen Adler in Rottenburg…

Was lernst man draus? Blindes Vertrauen ist nicht gut. Egal ob das jetzt ChatGPT ist oder der Sachbearbeiter der Führerscheinstelle.

Eine wichtige Funktion der Führerscheinstelle ist Anordnung eines ärztlichen Gutachtens oder einer MPU mit dem Ziel fehlende Klarheit zu schaffen. Ausgangspunkt ist nämlich meistens ein Vorfall, der Grund zur Annahme gibt, dass der Kandidat zur Teilnahnme am Straßenverkehr ungeeignet sein könnte. Weil der Sachbearbeiter selber dazu nicht kompetent ist, wird ein Gutachter benötigt.

Was genau dieser Gutachter untersuchen soll, das legt Ihr Sachbearbeiter bei der Führerscheinstelle fest. Ihm steht daür ein ganzer Pool an Fragestellungen zur Verfügung.

Wo Sie sich begutachten lassen wollen, das dürfen Sie selbst entscheiden - aber nicht ganz beliebig: Die von Ihnen ausgesuchte Begutachtungsstelle muss zugelassen sein zur Durchführung von Fahreignungsüberprüfungen. Eine Liste aller MPU-Stellen finden Sie hier.

Dazu eine nicht unwesentliche Feinheit: Sie können zwar die MPU-Stelle aussuchen, aber nicht den einzelnen Gutachter.

II. Die Rolle der MPU-Stelle

Die MPU-Stelle wird in Ihrem Auftrag tätig. Das merken Sie sehr schmerzlich daran, dass Sie die Begutachtung ja bezahlen müssen. Da Sie der zahlende Kunde sind, sollten Sie sich nicht als Bittsteller sehen. Es ist z.B. nicht notwendig, dass Sie drauf warten, dass Ihnen irgendwann irgendein Termin zugewiesen wird. Setzen Sie sich stattdessen mit der MPU-Stelle in Verbindung und besprechen Sie, welche Termine zur Verfügung stehen.

Früher existierte eine Preisbindung für MPUs. Das ist aber schon vor mehreren Jahren abgeschafft worden. Es gibt heute erhebliche Preisunterschiede und es lohnt sich die Preise zu vergleichen.

Dem MPU-Gutachter liegt Ihre Führerscheinakte vor (deshalb unbedingt vor Angabe der MPU-Stelle bei der Führerscheinstelle Akteneinsicht nehmen!). Alles was dort drin steht darf bei der Begutachtung verwendet werden.

Wie der MPU-Gutachter arbeitet:
Die Beurteilungskriterien

Der MPU-Gutachter muss eine Prognose erstellen: Ist zu erwarten, dass Sie Ihr problematisches Verhalten dauerhaft abgelegt haben oder nicht? Das Problem dabei ist:

Ich denke, es liegt auf der Hand, dass es unter diesen Voraussetzungen kaum zu schaffen ist eine seriöse Prognose abzugeben. Man hat deshalb mit den Beurteilungskriterien ein Regelwerk geschaffen, mit dem wenigstens die Zuordnung des Klienten in eine von drei oder vier "Schubladen" unterschiedlicher Schwere erfolgen kann. Je nach der Schublade, in der Sie landen, ergeben sich unterschiedliche Anforderungen, die Sie erfüllen müssen um eine positive Prognose erhalten zu können.

Ich finde das nicht wirklich befriedigend, aber es verhindert immerhin ganz willkürliches Arbeiten der Gutachters und schafft eine gute Grundlage für die Vorbereitung auf die MPU.

Was bedeutet das für Sie?

  1. Das Gespräch mit dem psychologischen Gutachter ist der Dreh- und Angelpunkt der MPU schlechthin.
  2. Durch die relativ engen Vorgaben, an die sich der Gutachter halten muss, wird das Gespräch in der Vorbereitung besser planbar. Bösen Überraschungen kann man mit guter Vorbereitung weitgehend aus dem Weg gehen.
  3. In meiner Vorbereitung orientiere ich mich so eng wie möglich an den verbindlichen Begutachtungs-Richtlinien.

III. Die Prognose über Ihr künftiges Verhalten

Der Gutachter soll ja zu einer soliden Einschätzung kommen, ob Sie Ihr problematisches für andere Verkehrsteilnehmer gefährliches Verhalten nachhaltig abgestellt haben oder nicht. "Ein bißchen verändert" reicht nicht. Eine positive Prognose darf er nur dann geben, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind:

  1. Sie haben Ihr Verhalten so weit aufgearbeitet, dass Sie im Detail verstanden haben, worin der Reiz bestanden hat, der zu dem unerwünschten Verhalten geführt hat.
  2. Diesen Reiz darf es inzwischen nicht mehr geben. An seine Stelle muss etwas Neues getreten sein, das mindestens genau so reizvoll ist.

Die psychologiische Grundannahme dabei ist:

Menschen tun das immer öfter, was ihnen etwas Angenehmes bringt und vermeiden das, was ihnen etwas Unangenehmes bringt.

Achso, werden Sie jetzt wahrscheinlich denken, wenn's weiter nix ist, das kann ich gut erklären. Aber so einfach ist das nicht. Oft kommt es nämlich vor, dass konkurrierende Einflüsse gleichzeitig auftreten. Dazu ein Beispiel:

Jeder Raucher weiß, dass rauchen gesundheitsschädlich ist. Statistische Daten belegen das sehr eindrucksvoll. Jetzt sollte man eigentlich erwarten, dass niemand raucht (→ Unangenehmes vermeiden). Wieso rauchen aber doch so viele? Das liegt daran, dass rauchen eben auch eine angenehme Seite hat. Diese angenehme Seite kann sehr belohnend wirken (vor allem für jeden, der abhängig von Nikotin geworden ist).

Noch eigenartiger wird das Verhalten aber, wenn man sich Belohnung und Gefahr nebeneinander anschaut: Die belohnende Wirkung dauert nur sehr kurz und ist wenig spektakulär während die gesundheitliche Gefahr absolut schwerwiegend ist. Hier spielt ein anderer Faktor die entscheidende Rolle: Die belohnende Wirkung ist nahezu sofort zu haben, während die drohende schwere Erkrankung als in weiter Ferne gelegen empfunden wird.

Sie sehen an diesem alltäglichen Beispiel, dass Zusammenhänge die Auswirkung überraschend komplex werden lassen können. Das ändert aber nichts daran, dass diese Denkweise das Werkzeug des Gutachters bei der MPU ist.

Das Unangenehme liegt bereits vor uns: Sie müssen jetzt zur MPU. Kaum einer wird das zum Spaß machen. Wie sieht aber Ihr psychologischer Verstärker aus, der ja immerhin stark genug gewesen sein muss, um erklären zu können wieso Sie dafür die MPU plus allem Drumrum auf sich genommen haben?

Sie haben keine Antwort parat? Dann haben Sie jetzt ein Problem: Genau diese Antwort will der Gutachter von Ihnen hören! Wenn Sie die Antwort schuldig bleiben müssen oder zu sehr an der Oberfläche bleiben, bedeutet das eine negative Prognose. Sie sind eben leider noch nicht reif für eine positive Prognose.

IV. Gründliche Aufarbeitung ist nötig für die MPU

Wenn Sie diesem Beitrag hier aufmerksam gefolgt haben, dürften Sie auch verstanden haben, dass das 1-stündige Einzelgespräch mit dem MPU-Gutachter kein lockerer Smalltalk sein wird. Er wird immer wieder kritische Nachfragen stellen um einschätzen zu können, wie stabil und belastbar die Veränderungen sind.

"Der Gutachter wird mir schon helfen, wenn ich unsicher werde!" - Schön wär's. Sein Job ist aber genau andersrum: Er soll ganz genau hinschauen und überprüfen, an welchen Stellen das Seil bei Ihnen eines Tages wohl wieder reißen könnte.

Verstehen Sie jetzt, warum eine gründliche Aufarbeitung zwar grundsätzlich auch in Eigenregie möglich ist, aber sehr hohen Aufwand bedeutet, weil Sie ja erst einmal in die lernpsychologische Denkweise hinein finden müssen? Ein psychologisch geschulter Vorbereiter kann Sie auf direktem Weg an die entscheidenden Punkte heran führen und viele sinnlose Umwege und Ehrenschleifen vermeiden helfen.

V. Verharmlosung ist Gift

Ich hab's ja vorher schon angesprochen: Nicht alles, was man sich mal "geleistet" hat, verdient ein Ruhmesblatt. Im Gegenteil sogar: Man erkennt selber, dass Dies oder Jenes ganz schön gaga war. Deshalb ist es nachvollziehbar, wieso es eine deutliche Tendenz zur Verharmlosung gibt.

"So schlimm war das alles gar nicht. Ist ja nix passiert. Ich hab einfach Pech gehabt!"

Auf solche Aussagen springt der MPU-Gutachter an wie der Haifisch auf ein blutig verletztes Tier. Sie geben damit nämlich zu erkennen, dass Sie noch immer nicht bereit sind zu erkennen, dass Ihr Verhalten eine ganz erhebliche Gefahr für Andere war. Und damit sind Sie eben "noch nicht reif" für eine positive Prognose!


Der Gutachter "gibt den Takt an" für das Einzelgespräch, aber viel liegt bei Ihnen wie harmonisch oder holprig es abläuft.

Motivation ist wichtig

Ebenfalls unter dem Aspekt der Stabilität der Veränderung interessiert den Gutachter die zugrunde liegende Motivation. Ganz klar, momentan ist der Führerschein eine sehr starke Motivation. Die verliert er aber ziemlich schnell, sobald Sie ihn wieder haben und er nicht mehr bedroht ist. Hier ist ein psychologischer Fachbegriff wichtig: Der Führerschein ist eine so genannte externale Motivation - und leider nicht viel Wert.

Trumpfen können Sie dagegen, wenn es Ihnen gelingt eine echte internale Motivation zu präsentieren, also eine "Motivation, die von innen kommt". In meiner MPU-Vorbereitung ist das deshalb immer auch ein Punkt, der Aufmerksamkeit verdient.

Ein Problem, das nicht einfach aus der Welt zu schaffen ist, besteht darin, dass der MPU-Gutachter nur sehr wenige Möglichkeiten hat den Wahrheitsgehalt von dem, was Sie ihm erzählen, zu überprüfen. Rein theoretisch kann man lügen, bis sich die Balken biegen! In der Praxis macht das aber keinen Sinn, denn die Wahrheitsfindung ist überhaupt nicht der Sinn der MPU. Es geht bei der Begutachtung nicht um schwarz oder weiß und nichts dazwischen. Der Gutachter ist sich selbst verständlich bewusst, dass seine Prognose mit einer gewissen Unsicherheit behaftet ist. Wenn Sie bestehen wollen, ist es Ihre Aufgabe, diese Unsicherheit so klein wie möglich zu halten. Und wenn Sie ihm antworten, dass Sie außer bei den 8 mal, wo Sie geblitzt wurden und die Punkte gesammelt haben, sonst niemals zu schnell gefahren sind (großes Indianerehrenwort - aber beweisen können Sie es halt leider nicht), dann wird das seine Unsicherheit für die Prognose bestimmt nicht zu Ihren Gunsten beeinflussen!

Es versteht sich von selbst, dass niemals aktenkundig gewordene Ereignisse nur dann freiwillig berichtet werden sollten, wenn das positiv für Sie wirkt. Warnen muss ich aber vor der weit verbreiteten Tendenz zur Beschönigung. Ich erlebe es immer wieder, dass trotz meinen ausdrücklichen Hinweisen beim Gespräch mit dem Gutachter dann doch "geglättet und geschönt" wird. Deshalb nochmals: Sie schaden sich damit nur! Aus Gutachtersicht hat es jeder, der zur MPU muss, faustdick hinter den Ohren. Jede Verharmlosung wird als mangelnde Einsicht gedeutet.

Zusammenfassung

Ich hoffe, ich konnte deutlich machen, was bei der MPU auf Sie wartet und auch, welche Überlegungen dahinter stecken. Vielleicht haben Sie auch einen Eindruck davon bekommen, dass es nicht zum Erfolg führen kann, wenn man die MPU auf die leichte Schulter nimmt. "Ich sag einfach die Wahrheit" hilft nicht weiter, denn es geht nicht um die Wahrheit bei der Begutachtung, sondern Hintergründe für das Problemverhalten sind gefragt und im zweiten Teil überzeugende Berichte die durchgeführten Veränderungen betreffend.

Durch die relativ engen Vorgaben, an die sich der Gutachter bei seiner Arbeitsweise halten muss, verliert die ganze Sache aber einen guten Teil seines Schreckens, wenn man entsprechend professionell vorbereitet antritt.